Kammergericht, Urteil vom 18.04.2000 – 5 U 9327/98 (-Didactica-)

mitgeteilt von Rechtsanwalt Dr. von Kenne, Berlin.

Leitsätze

Zu der Erstreckung des Schutzbereiches einer übernommenen besonderen geschäftlichen Bezeichnung („DIDACTICA“) gegenüber Franchisenehmern eines insolventen Franchisegebers.

Sachverhalt:

Die Klägerin nimmt die Beklagten auf Unterlassung von Firmierungen/Geschäftsbezeichnungen unter Verwendung des Begriffs „Didactica“, an dem sie eigene Kennzeichnungsrechte geltend macht, in Anspruch. Die Klägerin, die am 1.12.1994 in das Handelsregister des AG Charlottenburg eingetragen wurde, betreibt eine kaufmännische Berufsfachschule mit Fremdsprachenvermittlung, eine staatlich anerkannte Ergänzungsschule sowie eine staatlich anerkannte Ersatz- und Privatschule in Berlin. Das von ihr dabei angewendete „Didactica-Bildungskonzept“ beruht auf einer sogenannten „Superlearning-Methode“. Das Unternehmen hatte die Klägerin mit Kaufvertrag vom 15.12.1994 von G. erworben, der es als eine das „Didactica-Bildungskonzept“ anbietende und die Bezeichnung „Didactica-Institut“ führende Sprachenschule betrieben hatte. G. hatte seinerseits am 31.10./3.11.1987 mit der „Didactica Gesellschaft für moderne Lernmethoden mbH“ in R. einen Franchise-Vertrag geschlossen, von dem G. das „Didactica-Bildungskonzept“ sowie die Bezeichnung „Didactica“ ableitete. Die R. Franchisegeberin ist infolge eines am 10.12.1990 gestellten Konkursantrages durch Beschluß des AG Charlottenburg vom 2.10.1991 erloschen.

Die Beklagte zu 1) beruft sich zur Begründung seiner Rechte auf einen am 4.8.1990 mit der in R. geschäftsansässigen Gesellschaft abgeschlossenen nämlichen Franchise-Vertrag, aufgrund dessen er am 24.11.1990 gemeinsam mit seiner Schwiegertochter ein „Didactica-Institut“ in B. eröffnet haben will. Die in der Schweiz ansässige „Didactica H.D. AG“ plante die Fortführung des „Didactica“-Franchise-Systems, in dessen Folge der Beklagte zu 1) mit dieser am 5.12.1990 ebenfalls einen Franchise-Vertrag abschloss und zum 1.6.1991 ein „Didactica-Institut“ in Berlin gründete. Diese Spracheschule soll am 17.6.1991 ihre Tätigkeit aufgenommen haben. Die am 30.1.1992 in das Handelsregister eingetragene Beklagte zu 5), die ihrerseits bereits im Gründungsstadium am 10.12.1991 einen entsprechenden Franchise-Vertrag mit der „Didactica (International) AG “ in der Schweiz unterzeichnet hatte, soll den Betrieb in der S. Straße übernommen haben. Die „Didactica (International) AG“ in der Schweiz war seinerzeit Gründungsgesellschafterin der am 17.8.1993 in das Handelsregister eingetragenen Beklagten zu 3); sie ist ferner Muttergesellschaft der am 15.9.1997 in das Handelsregister als ihre Zweigniederlassung eingetragenen Beklagten zu 4). Die Beklagten zu 3) bis 5) sind – lt. Angaben im Handelsregister – ebenso wie die am 10.3.1995 in das Handelsregister des AG Charlottenburg eingetragene Beklagte zu 2) unter anderem im Bereich der Fremdsprachenausbildung tätig gewesen.

Aus den Gründen:

Die Berufung ist begründet.

Der Unterlassungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagten zu 1) bis 4) ergibt sich aufgrund der ihr zustehenden besonderen geschäftlichen Bezeichnung „DIDACTICA“ aus § 15 Abs. 4 i.V.m. Abs. 2 MarkenG.
Das Markengesetz ist gem. § 152 MarkenG auf Verletzungshandlungen betreffend geschäftliche Bezeichnungen, die vor dem 1.1.1995 nach den bis dahin geltenden Vorschriften geschützt waren, anwendbar. Insoweit ist § 16 UWG a.F. einschlägig, der durch das Markengesetz inkorporiert wurde. Betreffend den Schutzbereich der Norm haben sich sachlich jedoch keine Änderungen gegenüber dem Markengesetz ergeben (vgl. Ingerls/Rohnke, markenG, § 152 Rz. 6 ff).
„DIDACTICA“ genießt als schlagwortartige Bezeichnung kennzeichenrechtlichen Schutz (§ 16 UWG a.F.). Die Bezeichnung hat keinen rein beschreibenden Inhalt und besitzt von Hause aus Kennzeichnungskraft, denn sie eignet sich als individueller Herkunftshinweis. Auf ihre Verkehrsgeltung kommt es daher nicht an.
Das Klagekennzeichen ist prioritätsälter als die von den Beklagten in ihren Firmen verwendete identische Bezeichnung. Erwirbt jemand ein bestehendes Unternehmen und verwendet er dessen Bezeichnung weiter, so kommt ihm die Priorität des Rechtsvorgängers zugute (BGH GRUR 1957, 25 – Hausbücherei). Die Klägerin hat die Bezeichnung durch den Kaufvertrag, den sie im Dezember 1994 mit G. abgeschlossen hat, erworben. G. führte damals bereits für das verkaufte Unternehmen die Bezeichnung „DIDACTICA-Institut“. Dies seinerseits beruhte auch auf dem Franchise-Vertrag mit der Firma „DIDACTICA Gesellschaft für moderne Lernmethoden mbH“ in R. vom Oktober/November 1987. Der damit im Zuge der Übertragung und Unternehmensfortführung auf die Klägerin übergegangene Altersrang am Unternehmenskennzeichen „DIDACTICA“ besteht aber erst seit Ende des Jahres 1988, denn ab diesem Zeitpunkt läßt das Anlagenkonvoulut K 17 der Klägerin Rechnungen und mithin eine Geschäftstätigkeit erkennen, wenigstens aber seit 1989. Insofern haben die Beklagten selbst vorgetragen, im Jahr 1989 sei G. als Franchisenehmer des R. Unternehmens hinzugekommen.
Die Beklagten können sich nicht mit Erfolg auf eine bessere Priorität des Beklagten zu 1) gegenüber der Klägerin aufgrund der Priorität der in R. ansässigen Gesellschaft, von der er ebenfalls Benutzungsrechte aus einem im August 1990 abgeschlossenen Franchise-Vertrag ableiten will, berufen. Aufgrund dieser Gestattung erlangte der Beklagte zu 1) nicht die Priorität der Kennzeichnung seines Vertragspartners (BGH v. 18.3.1993 – I ZR 178/91, MDR 1993, 1071 = GRUR 1993, 574 – Decker). Ebenso wenig kann er sich vorliegend auf diese Priorität in entsprechender Anwendung des Rechtsgedankens des § 986 Abs. 1 BGB berufen. Dies ist gegenüber demjenigen, der eine im Verhältnis zum Verletzer selbst prioritäre Bezeichnung innehat, nur dann möglich, wenn der Vertragspartner des Verletzers aufgrund der besseren Berechtigung seiner Kennzeichnung gegenüber dem Dritten mit Erfolg vorgehen könnte (BGH v. 18.3.1993 – I ZR 178/91, MDR 1993, 1071_ GRUR 1993, 574 – Decker). Letzteres ist jedoch nicht der Fall, weil die in R. ansässige Gesellschaft bereits im Oktober 1991 im Zuge der Ablehnung eines Konkursantrags durch Beschluß des AG Charlottenburg erloschen ist. Ob und inwieweit hingegen die in der Schweiz ansässige „DIDACTICA H.D.AG“ mit dem Beklagten zu 1) oder der Beklagten zu 4) einen Franchise-Vertrag abgeschlossen hat, aus denen sich Kennzeichnungsrechte zugunsten der Beklagten herleiten lassen könnten, ist unerheblich. Hierauf käme es nur an, wenn die Schweizer Gesellschaft ihrerseits gegenüber G. prioritätsälter wäre. Dies ist angesichts der Tatsache, daß, wie die Beklagten selbst vortragen, die „Landeszentrale Schweiz“ erst im Frühjahr 1990 gegründet wurde, angesichts der Ingebrauchnahme der Bezeichnung durch G. im Jahre 1989 nicht der Fall.
Die Verletzungshandlungen durch die Beklagten, die ihre Unternehmen jedenfalls überwiegend in den Bezirken des ehemaligen Ostteils Berlin betreiben, haben im territorialen Schutzbereich der geschäftlichen Bezeichnung der Klägerin stattgefunden. Ursprünglich (1987/88) beschränkte sich dieser zwar für das in dem Westteil Berlins betriebene Unternehmen einer Privatschule aufgrund der politischen Gegebenheiten nur auf diesen Teil Berlins. Für eine dergestaltete Begrenzung des ursprünglichen Schutzbereichs der geschäftlichen Bezeichnung auf West-Berlin ist allerdings die Tatsache, daß zwischen G. und dem R. Franchisegeber eine sogenannte Gebietsschutzklausel „für die Stadtbezirke Berlins“ in vertraglicher Form vereinbart wurde, bedeutungslos, weil die Klägerin aus ihrem eigenen Kennzeichnungsrecht gegen die Beklagten vorgeht, nicht aber aus einer von G. abgeleiteten, seinerseits schuldrechtlich durch den „Gestattungsvertrag“ mit dem R. Unternehmen erworbenen Gestattung, die Bezeichnung „DIDACTICA“ zu führen. Diese Gestattung ist allein schuldrechtlicher Natur und gewährte dem Gestattungsempfänger G. keine „dingliche“ Rechtsposition (Ingerl/Rohnke, MarkenG, vor §§ 27-31 Rz.). Der Begünstigt erwirbt durch eine Ingebrauchnahme vielmehr ein originäres, eigenes Kennzeichenrecht, das mit Priorität übertragbar ist (Großkommentar/Teplitzky, UWG, § 16 Rz. 178).
Hinsichtlich des räumlichen Schutzbereichs ist allerdings nicht nur auf den seinerzeit (1987) von der Bezeichnung erfaßten wirtschaftlichen Raum – hier der Westteil Berlins – abzustellen, sondern auch auf künftige Ausdehnungen, auf letztere aber nur soweit, als diese nach dem Geschäftsgegenstand überhaupt möglich waren (BGH v. 12.7.1984 – I ZR 49/82, MDR 1985, 119 = GRUR 1985, 72 (73) – Consilia). Eine Ausdehnungsmöglichkeit über das Gebiet West-Berlins auf die Ostbezirke Berlins oder seine Randgebiete waren nach den politischen Gegebenheiten vor der „Wende“ im Herbst 1989 aber nicht vorstellbar und auch rechtlich nicht möglich. Mit Wirkung zum 03.10.1990, dem Tag der Wiedervereinigung Deutschlands, ist aber die räumliche Schutzwirkung der geschäftlichen Bezeichnung erweitert, nämlich auf das gesamte Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erstreckt worden. Der firmenrechtliche Schutz war mangels einer gesetzlichen Erstreckungsregelung im Einigungsvertrag (….) keinen räumlichen Erstreckungsbestimmungen ausgesetzt. Daher konnte sich ein im jeweiligen ehemaligen Teil Deutschlands bestehender firmenrechtlicher Schutz aus § 16 Abs. 1 UWG a.F. auf das Hoheitsgebiet des vereinigten Deutschlands ab dem 3.10.1990 erstrecken (…). Das bedeutet, daß ein zum 3.10.1990 bestehende Firmen(alt)recht hinsichtlich seiner räumlichen Schutzwirkung so anzusehen ist, als habe niemals eine Trennung Deutschlands bestanden. Lediglich wenn der räumliche Schutzbereich eines Unternehmenskennzeichens seiner Natur nach unter anderem orts- und regionsgebunden ist, ist es ausgeschlossen, eine mit der Herstellung der Einheit Deutschlands automatisch eintretende Erstreckung des bisher beschränkten räumlichen Schutzes auf das gesamte Hoheitsgebiet anzunehmen. (…). Diese Ausnahme greift aber für eine wie von der Klägerin betriebene private Sprachenschule nicht ein, selbst wenn sie in aller Regel nur begrenzte regionale Bedeutung, gemessen an ihrem jeweiligen Einzugsbereich besitzt. Entscheidend ist, daß ihr Geschäftsbetrieb nicht seiner Natur nach orts- oder regionsgebunden ist, wie dies bei Gaststätten oder Hotels der Fall ist. Selbst wenn man dies aber annehmen wollte, ist Erstreckung auf – zumindest – Ost-Berlin eingetreten. Bei Hinwegdenken der Grenzen hätte nämlich ein weiteres Ausdehnen der geschäftlichen Aktivitäten der Klägerin auf das Gebiet Ost-Berlins angenommen werden können (…).
Der Beklagte zu 1), von dem die übrigen Beklagten ihr Benutzungsrechte ableiten, hat die Benutzung der Bezeichnung „DIDACTICA“ erst im November 1990 aufgenommen, und zwar mit der Eröffnung einer unter der Geschäftsbezeichnung „DIDACTICA“ geführten Sprachenschule im ehemaligen Ostteil Berlins, mithin gegenüber der Klägerin zu einem Zeitpunkt, in welchem sie bzw. G. bereits territoriale Schutzrechte auch in dem ehemaligen Ostteil Berlins für sich beanspruchen konnte.

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