BGH, Urteil vom 23.07.1997 – VIII ZR 130/96 (-Benetton I-)

Leitsatz zur Schadensersatzpflicht eines Herstellers von Oberbekleidung gegenüber seinen Vertriebsmittlern wegen Umsatzeinbußen durch „Schockwerbung“

Zum Sachverhalt:

Die Kl. befaßt sich unter anderem mit der Herstellung von Oberbekleidung für Erwachsene und Kinder, die sie weltweit über selbständige Einzelhändler wie die Bekl. vertreibt. Von Herbst 1993 bis zum Sommer 1994 bestellte die Bekl. bei der Kl. Waren im Wert von 1282803,70 DM, die die Kl. an sie auslieferte und ihr zwischen dem 30. 9. 1993 und dem 4. 8. 1994 in Rechnung stellte. Von der Gesamtsumme ist noch ein Teilbetrag von 921221,50 DM offen, die die Kl. im vorliegenden Rechtsstreit nebst Zinsen geltend macht. Die Kl. hatte zunächst Geschäftsbeziehungen zu dem jetzigen Geschäftsführer der Bekl. persönlich aufgenommen, der ab 1985 in mehreren Ladenlokalen ausschließlich Konfektion der Kl. aus den Serien „United Colors of Benetton“ und Z verkaufte. Diese Geschäfte wurden 1990 von der Bekl. übernommen. Die Verkaufsräumlichkeiten der Einzelhändler, mit denen die Kl. zusammenarbeitet, müssen in bester Verkaufslage gelegen sein und sind nach den Anweisungen der Kl. auf Kosten der Einzelhändler „Benetton-typisch“ zu gestalten und einzurichten. Der Geschäftsführer der Bekl. unterzeichnete am 3. 6. 1987 eine Erklärung, in der er unter anderem bestätigte, daß die Ermächtigung zum Gebrauch der Kennzeichen der Kl. nicht exklusiv und nur für die Zeit erteilt sei, in der er von ihr Waren beziehe, und daß er den Kennzeichen der Kl. keine eigenen Namenshinweise zufügen werde und für die Ermächtigung zur Benutzung der Kennzeichnung keinerlei Art von Entgelt oder Vergütung an die Kl. oder Dritte zahlen müsse. Weitere Vertriebsvereinbarungen in schriftlicher Form existieren nicht. Die Rechtsbeziehungen der Parteien wurden von der Bekl. mit Schreiben vom 2. 9. 1994 aus wichtigem Grund zum 31. 12. 1994 gekündigt. Seit dem 1. 3. 1995 führt die Bekl. ihre Geschäfte mit Produkten anderer Textilhersteller fort. Die Bekl. hat geltend gemacht, zwischen den Parteien sei konkludent ein Rahmenvertrag mit Franchisecharakter zustande gekommen, der wegen Verstoßes gegen kartellrechtliche Vorschriften nichtig sei. Die Nichtigkeit dieser Rahmenvereinbarung erfasse auch die damit in engem Zusammenhang stehenden einzelnen Warenkaufverträge. Hilfsweise hat die Bekl. gegenüber der Klageforderung mit Schadensersatzansprüchen wegen von der Kl. durchgeführter Werbekampagnen aufgerechnet. Dem liegt folgendes zugrunde:

Die überregionale Werbung für die Produkte der Kl. war ausschließlich deren Angelegenheit. Sie veröffentlichte jährlich jeweils zu Beginn der Frühjahr/Sommer- und der Herbst/Winterkollektion für die Dauer von ein bis zwei Monaten in Zeitschriften und an Plakatsäulen großformatige Fotographien mit der Darstellung unterschiedlichster Objekte und dem Hinweis „United Colors of Benetton“. Seit Anfang der neunziger Jahre befaßte sie sich zunehmend mit gesellschaftlich brisanten Themen und wählte unter anderem Motive aus, die Leiden in der Welt darstellten (z.B. Soldatenfriedhof F/S 1991, Aidsopfer mit Familie F/S 1992, Ölvogel und Kinderarbeit H/W 1991/92, HIV-Positiv H/W 1993/94). Diese Art der Werbung stieß schon kurze Zeit nach ihrem Beginn in der Öffentlichkeit auf Kritik, zum Teil wurde sie als geschmacklos und abstoßend empfunden und abgelehnt. Mit Schreiben vom 12. 3. 1994 machten die Bekl. und acht weitere Benettonhändler gegenüber Luciano Benetton persönlich geltend, die Werbekampagnen hätten einen hohen Imageverlust der Marke Benetton und damit verbunden außergewöhnliche Umsatzeinbußen ausgelöst. Die Bekl. hat behauptet, bei ihr hätten die Umsatzrückgänge zu einem Gesamtverlust von mehr als 2,5 Mio. DM geführt. Äußerst hilfsweise hat die Bekl. gegenüber der Klageforderung mit einem Ausgleichsanspruch analog § 89b HGB aufgerechnet, den sie mit insgesamt 1553460 DM beziffert hat.

Das LG hat der Klage stattgegeben. Die dagegen gerichtete Berufung, mit der die Bekl. in erster Linie die Zurückverweisung der Sache an das LG und hilfsweise Klageabweisung begehrt hat, hat das OLG zurückgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt die Bekl. ihre zweitinstanzlichen Anträge weiter. Die Revision blieb erfolglos.

Aus den Gründen:

I. Das BerGer. hat ausgeführt (veröffentlicht in NJW-RR 1997, 170):

1. Der von der Kl. geltend gemachte Kaufpreisanspruch ergebe sich aus § 433 II BGB, nachdem die Parteien erklärt hätten, es solle deutsches Kaufrecht unter Ausschluß des Wiener UN-Kaufrechts (CISG) angewandt werden. Die der Klageforderung zugrundeliegenden Kaufverträge seien wirksam. Zwar hätten zwischen den Parteien über diese Kaufverträge hinausgehende Rechtsbeziehungen bestanden, die trotz Fehlens schriftlicher und ausdrücklicher mündlicher Abreden durch eine über nahezu zehn Jahre einverständlich gehandhabte Vertriebspraxis zustande gekommen seien und weitgehend die typischen Merkmale eines Franchisevertrages aufwiesen. Danach sei die Bekl. unter anderem gehalten gewesen, Waren der Kl. in von Saison zu Saison steigender Menge abzunehmen und nur diese ausschließlich an Endverbraucher zu von der Kl. im voraus bestimmten Preisen zu verkaufen. Es spreche viel dafür, daß diese Vertriebsvereinbarung gem. §§ 15, 18 I Nr. 2 und 3, 34 GWB, § 125 BGB, Art. 85 II EWGV, § 139 BGB nichtig sei. Letztlich könne dies jedoch dahinstehen, weil eine etwaige Nichtigkeit der Rahmenvereinbarung der Parteien für die Kaufpreisansprüche der Kl. ohne Bedeutung sei.

Ob die Einzelkaufverträge von einer etwaigen Nichtigkeit der Vertriebsvereinbarung erfaßt würden, sei nach § 139 BGB zu beurteilen, der auch beim Abschluß mehrerer Rechtsgeschäfte unterschiedlichen Typs anwendbar sei. Entscheidend für die Gesamtnichtigkeit sei der Einheitlichkeitswille der Parteien zur Zeit der Vornahme der Rechtsgeschäfte; aus ihren Erklärungen müsse sich unter Berücksichtigung ihrer Interessen und der Verkehrssitte der Wille ergeben, daß die möglicherweise äußerlich getrennten Rechtsgeschäfte miteinander stehen und fallen sollten. Danach seien die der Klageforderung zugrundeliegenden Kaufverträge selbst bei Nichtigkeit der franchiseähnlichen Vertriebsvereinbarung wirksam. Trotz des wirtschaftlichen Zusammenhangs seien die Vertriebsabsprachen nicht einmal konkludent Inhalt der nachfolgenden Warenbezugsverträge geworden. Mit Aufgabe und Annahme der Warenorder sei es beiden Parteien vorrangig um die Abwicklung der einzelnen auf die Saisonkollektionen beschränkten Kaufverträge gegangen. Bei Verstößen gegen die Vertriebsvereinbarung seien der Bekl. Sanktionen lediglich für die Zukunft in Form einer Liefersperre oder der Eröffnung eines Konkurrenzunternehmens angedroht worden. Das mache deutlich, daß die Abwicklung der Einzelverträge durch wettbewerbsbeschränkende Maßnahmen der Kl. nicht habe beeinflußt werden sollen.

2. Die Forderung der Kl. sei auch nicht durch die von der Bekl. hilfsweise erklärte Aufrechnung erloschen, denn dieser stünden Gegenansprüche aufgrund der von der Kl. durchgeführten Schockwerbung nicht zu. Es könne dahinstehen, ob insoweit die Verletzung von Nebenpflichten aus dem Vertriebsverhältnis oder den Einzelkaufverträgen in Betracht zu ziehen sei. Etwaige Schadensersatzansprüche der Bekl. scheiterten in jedem Falle daran, daß es an einem durch Vertragsverletzungen der Kl. verursachten Schaden der Bekl. fehle. Die Parteien hätten die regelmäßig von einem Unternehmer eigenständig durchzuführende Werbung ausdrücklich der Kl. übertragen und damit bewußt aus dem Verantwortungsbereich der Bekl. herausgenommen. Dadurch habe sich die Bekl. der Möglichkeit begeben, Einfluß auf Art und Themenwahl nehmen zu können. Eine Pflichtverletzung der Kl. im Stadium der Planung der Werbeaktionen scheide deshalb aus. Sie komme erst von dem Zeitpunkt an in Betracht, zu dem die Kl. gewußt habe oder damit habe rechnen müssen, daß sie durch ihre Werbung gerade der Bekl. Schaden zufügen könne.

Das sei nicht der Fall gewesen, bevor sich die Bekl. durch Schreiben vom 12. 3. 1994 mit Beschwerden über die Schockwerbung der Kl. an diese gewandt habe. Grundsätzlich stünden einem Vertragspartner Schadensersatzansprüche wegen eines vertragswidrigen Verhaltens des anderen Vertragsteils erst zu, wenn dieser das beanstandete Verhalten trotz Abmahnung fortsetze, die hier auch nicht ausnahmsweise entbehrlich sei. Der Kl. könne zwar nicht verborgen geblieben sein, daß die Art und Weise, in der sie ab dem Frühjahr/Sommer 1991 mit Motiven des kreatürlichen Elends geworben habe, von der Öffentlichkeit teilweise als abstoßend und geschmacklos empfunden und abgelehnt worden sei. Das lasse jedoch nicht den Schluß zu, daß die Kl. auch schädigende Auswirkungen ihrer Werbung für die Bekl. gekannt habe. Einen Erfahrungssatz, nach dem eine von Teilen der Bevölkerung abgelehnte Werbung zwangsläufig zu einem Kaufboykott der beworbenen Produkte führe, gebe es nicht. Daß die Kl. damit nicht gerechnet habe, liege auf der Hand, weil auch sie als Produzentin der von der Bekl. vertriebenen Waren an deren erfolgreichem Umsatz in starkem Maße habe interessiert sein müssen. Die Behauptung der Bekl., die Kl. habe die beanstandete Werbung trotz der Kritik fortgesetzt, weil es ihr Ziel gewesen sei, deutsche Händler „an die Wand zu fahren“ und ihr Vertriebsnetz in Deutschland gesundzuschrumpfen, sei zu allgemein gehalten und nicht unter konkreten Beweis gestellt worden. Daß einzelne Werbemotive durch deutsche Gerichte als unlautere Werbung beurteilt worden seien, sei allein nicht geeignet gewesen, konkrete Absatzschäden der Bekl. für die Kl. voraussehbar zu machen. Die bis 1994 nur seltenen negativen Reaktionen aus der Bevölkerung und die in der Hauszeitschrift der Kl., C. Nr. 3, im Januar 1993 veröffentlichten kritischen Zuschriften reichten dafür ebenfalls nicht aus. Auch aus der von der Bekl. vorgelegten Studie Professor F von der Universität Gesamthochschule Kassel, die sich mit Umfragen von verschiedenen Zeitschriften befasse, ergäben sich keine auffallenden Verluste an dem Image der Kl., der ihr entgegengebrachten Sympathie und dem Streben ihrer Käuferkreise, Modeprodukte der Kl. zu besitzen; vielmehr sprächen die Ergebnisse überwiegend eher für die Kl. Schließlich dürfe das Verhalten der Bekl. selbst nicht unbeachtet bleiben, die noch im Herbst 1993 ein weiteres Benetton-Geschäft übernommen, die vollständige Frühjahr/Sommerkollektion 1994 geordert und auch in der Folgezeit Standardartikel bestellt habe, obwohl sie jetzt geltend mache, als Folge der Schockwerbung der Kl. spätestens seit Ende 1991 erhebliche Umsatzeinbußen erlitten zu haben.

Die genannten Umstände machten in ihrer Gesamtheit deutlich, daß die Kl. vor dem Schreiben der Bekl. vom 12. 3. 1994 nicht habe anzunehmen brauchen, ihre Werbemaßnahmen könnten zu einer Absatzminderung bei ihren Einzelhändlern und insbesondere bei der Bekl. führen. Im Anschluß an dieses Schreiben sei der Kl. für die weitreichende Entscheidung, ob sie die von ihr bis dahin als absatzfördernd und imageerhöhend angesehene Schockwerbung abbrechen oder mit dem Risiko, der Bekl. Schadensersatz leisten zu müssen, habe fortsetzen wollen, eine angemessene Frist von jedenfalls zwei Monaten zuzubilligen. Nach Mitte Mai 1994 habe die Kl. eine Schockwerbung in der von der Bekl. beanstandeten Art und Weise bis zur Beendigung der Rechtsbeziehung der Parteien nicht mehr durchgeführt.

Schadensersatzansprüche der Bekl. wegen Eingriffs in ihren eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb gem. § 823 BGB scheiterten daran, daß es an einem unmittelbaren Eingriff der Kl. fehle und dieser nicht bewußt gewesen sei, daß sie der Bekl. durch die Schockwerbung Schaden zufügen könne.

Schließlich stehe der Bekl. auch kein Ausgleichsanspruch analog § 89b HGB zu. Trotz ihrer Einbindung in das Vertriebsnetz der Kl. sei die Stellung der Bekl. nicht der eines Handelsvertreters vergleichbar, weil ihr insbesondere kein Alleinvertriebsrecht für ein bestimmtes Gebiet eingeräumt worden sei. Außerdem sei die Bekl. weder dazu verpflichtet gewesen, der Kl. beim Ausscheiden aus deren Absatzorganisation ihren Kundenstamm zu übertragen, noch sei ersichtlich, daß die Kl. den Kundenstamm der Bekl. tatsächlich übernommen hätte. Es sei schon nicht sicher, ob die Bekl. überhaupt über einen nennenswerten festen Käuferstamm verfügt habe. Wenn dies der Fall gewesen sein sollte, sei davon auszugehen, daß ihr dieser auch nach dem Ende der Beziehungen der Parteien treu geblieben sei, weil sie weiterhin Textilien anbiete, die in Art und Preis den Produkten der Kl. vergleichbar seien und einen vergleichbaren Kundenkreis ansprächen. Im übrigen habe die Bekl. Ausgleichsansprüche erst mit Schriftsatz vom 5. 10. 1995 und damit nach dem Ende der Jahresfrist des § 89b IV HGB geltend gemacht. Die Vertragsbeziehungen der Parteien hätten mit Zugang des Kündigungsschreibens vom 2. 9. 1994 geendet, weil dadurch lediglich die mangels weiterer Bestellung der Bekl. faktisch bereits vorher eingetretene Beendigung bestätigt worden sei.

II. Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung im Ergebnis stand.

A) Das BerGer. hat der Kl. rechtsfehlerfrei einen Anspruch auf Restkaufpreiszahlung (§ 433 II BGB) in Höhe von 921221,50 DM für die zwischen Herbst 1993 und Sommer 1994 von der Bekl. bestellten und an diese ausgelieferten Waren zuerkannt.

1. Seine Feststellung, die Parteien hätten die Abwendbarkeit deutschen Rechts gewählt (Art. 27 EGBGB) und zugleich die Geltung des CISG ausgeschlossen (Art. 6 CISG), ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden und wird von der Revision auch nicht angegriffen.

2. Zu Recht hat das BerGer. im Ergebnis offengelassen, ob einzelne oder alle der von ihm festgestellten Vertriebsvereinbarungen der Parteien gegen deutsches (§§ 15, 18, 34 GWB) oder europäisches (Art. 85 I EWGV) Kartellrecht verstoßen. Gegen seine Annahme, auch im Falle der Nichtigkeit dieser Vertriebsabreden seien die Warenkaufverträge, auf die die Klageforderung gestützt ist, wirksam, wendet sich die Revision ohne Erfolg.

a) Nach den Feststellungen des BerGer. sind die Vertriebsabreden der Parteien nicht Bestandteil der die Grundlage der Klageforderung bildenden Warenkaufverträge, sondern Inhalt einer durch schlüssiges Verhalten zustande gekommenen Rahmenvereinbarung, die bei Abschluß der Kaufverträge in den Jahren 1993 und 1994 bereits vorlag. Das BerGer. geht von „mehreren Rechtsgeschäften unterschiedlichen Typs“, „der Vertriebsvereinbarung nachfolgenden Warenbezugsverträgen“ sowie davon aus, daß die Vertriebsabsprachen „nicht einmal konkludent Inhalt der Warenbezugsverträge geworden“ seien. Soweit die Revision demgegenüber meint, es bestehe keine äußerliche Trennung zwischen einem Franchise- oder Rahmenvertriebsvertrag und den einzelnen Kaufverträgen, vielmehr seien die wettbewerbsbeschränkenden Abreden zusammen mit den Kaufverträgen vereinbart und in jeder Saison erneuert worden, zeigt sie keine Gesichtspunkte auf, die die abweichende tatrichterliche Würdigung des BerGer. rechtsfehlerhaft erscheinen ließen.

Richtig ist zwar, daß wegen Fehlens sowohl einer schriftlichen als auch einer ausdrücklichen mündlichen Rahmenvereinbarung der Parteien die Vertriebsabreden nur durch schlüssiges Verhalten im Zusammenhang mit dem Warenbezug durch die Bekl. zustande gekommen sein können. Die geschäftlichen Beziehungen zwischen der Kl. und dem Geschäftsführer der Bekl. persönlich begannen jedoch bereits 1985 und wurden 1990 von der Bekl. übernommen. Vor diesem Hintergrund ist die Annahme des BerGer. zumindest vertretbar und daher frei von Rechtsirrtum, 1993 habe nach einer langjährigen einheitlich gehandhabten Vertriebspraxis eine Rahmenvertriebsvereinbarung zwischen den Parteien bestanden, ohne daß – was auch nicht erforderlich gewesen sei – deren Inhalt (erneut) zum Gegenstand der später abgeschlossenen Warenkaufverträge gemacht worden sei. Anders als die Revision meint, liegt darin keine unnatürliche Aufspaltung von einheitlichen Kauf- und Vertriebsabreden.

b) Die Revision rügt deshalb auch vergeblich, die Nichtigkeit der Einzelkaufverträge ergebe sich unmittelbar aus § 34 GWB, § 125 S. 1 BGB, weil die nur stillschweigend geschlossenen Vertriebsvereinbarungen der Parteien Beschränkungen der in § 18 GWB genannten Art enthielten und ein Verstoß gegen das Schriftformerfordernis des § 34 GWB die Gesamtnichtigkeit aller Verträge und Abreden zur Folge habe, die mit den von der Formvorschrift erfaßten Vereinbarungen in Zusammenhang stünden. Nach der Rechtsprechung des BGH (BGHZ 84, 322 (324) = NJW 1982, 2872 = LM § 34 Nr. 20GWB; BGHZ 119, 112 (113ff.) = NJW-RR 1993, 118 = LM H. 4/1993§ 34 GWB Nr. 30GWB; BGH, NJW-RR 1986, 336 = LM § 34 GWB Nr. 24 unter 2a; NJW 1997, 2954 = LM H. 8/1997 § 34 GWB Nr. 32 = ZIP 1997, 938 unter I 1) erfaßt das Schriftformerfordernis des § 34 GWB zwar über die eigentliche Ausschließlichkeitsbindung i.S. von § 18 GWBGWB hinaus alle für die Beurteilung der wettbewerblichen Wirkungen der Bindung bedeutsamen Teile eines wirtschaftlich einheitlichen Vertragsgefüges, selbst wenn dieses aus mehreren äußerlich getrennten Verträgen besteht. Eine solche Wettbewerbsbedeutung kommt den Einzelkaufverträgen der Parteien jedoch nicht zu. Mit ihrem Abschluß ist die vorausgegangene Rahmenvereinbarung lediglich ausgeführt, aber nicht in ihrem den Wettbewerb betreffenden Inhalt erweitert oder mitbestimmt worden.

c) Zutreffend hat daher das BerGer. die Folgen einer etwaigen kartellrechtlichen Teil- oder Gesamtnichtigkeit der Vertriebsvereinbarungen für die Wirksamkeit der Einzelkaufverträge nur danach beurteilt, ob die Vertriebsabreden und die Einzelkaufverträge trotz ihrer äußerlichen Trennung ein einheitliches Rechtsgeschäft i.S. von § 139 BGB bilden, d.h. nach dem Willen der Parteien miteinander stehen und fallen sollten (BGHZ 50, 8 (13) = NJW 1968, 936 = LM § 181 BGB Nr. 11; BGH, NJW 1983, 2027 = LM § 1 AbzG Nr. 17 = WM 1983, 788 (unter III 5) NJW 1986, 1988 = LM § 1c AbzG Nr. 6 = WM 1986, 795 (unter II 2b) insoweit in BGHZ 97, 351 nicht abgedr.; BGHZ 112, 288 (293) = NJW 1991, 105 = LM § 16 AbzG Nr. 24; BGH, NJW 1997, 933 = LM H. 5/1997 § 139 BGB Nr. 85 = WM 1997, 418 (unter II Ab)). Seine tatrichterliche Würdigung (vgl. dazu BGH, NJW 1986, 1988 = LM § 1c AbzG Nr. 6; BGHZ 112, 288 (293) = NJW 1991, 105 = LM § 1b AbzG Nr. 24), ein solcher Einheitlichkeitswille der Parteien liege nicht vor, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

aa) Sie entspricht der Rechtsprechung des Senats, wonach die Unwirksamkeit eines Franchise-Vertrages in der Regel nicht die Unwirksamkeit der erst später geschlossenen einzelnen Kaufverträge zur Folge hat. In diesem Zusammenhang hat der Senat ausgeführt (NJW 1986, 1988 = LM § 1c AbzG Nr. 6 (unter II 4b)), die Einzelkaufverträge könnten trotz des wirtschaftlichen Zusammenhangs selbst bei weiter Auslegung des Begriffs des einheitlichen Rechtsgeschäfts nicht mehr in rechtlichem Sinne als Teil der Franchise-Vereinbarung angesehen werden, zumal bei Abschluß des Franchise-Vertrags ungewiß sei, wann, wie oft und hinsichtlich welcher Produkte der Franchisenehmer Nachbestellungen vornehme.

bb) Vergeblich rügt die Revision, das BerGer. habe bei seiner Würdigung die schriftliche Erklärung des Geschäftsführers der Bekl. vom 3. 6. 1987 übergangen, nach der die Kl. die Ermächtigung zum Gebrauch ihrer Kennzeichen, ihrer Geschäfts- und Reklametechniken sowie ihrer Ausstattung nur so lange erteilt hat, wie das Geschäft der Bekl. von ihr mit Ware beliefert wird. Die Kl. hat danach zwar die Dauer ihrer Ermächtigung zum Gebrauch ihrer Kennzeichen mit dem Abschluß der Warenkaufverträge im Rahmen der laufenden Geschäftsbeziehung verknüpft. Daraus folgt aber nicht, daß nach dem Willen der Parteien die Wirksamkeit tatsächlich abgeschlossener und durchgeführter Kaufverträge – gleichsam umgekehrt – von dem Fortbestand der Ermächtigung zum Gebrauch der Kennzeichen abhängig sein sollte. Noch weniger ergibt sich hieraus der Wille, die Wirksamkeit der Kaufverträge allgemein an die Wirksamkeit dieser oder weiterer Vertriebsvereinbarungen zu binden.

cc) Die tatrichterliche Würdigung des BerGer. weist auch keine Widersprüche auf. Entgegen der Darstellung der Revision ist das BerGer. bei seinen Ausführungen zu einem Schadensersatzanspruch der Bekl. wegen der Schockwerbung der Kl. nicht davon ausgegangen, daß die Verpflichtung der Kl., überregionale Werbung durchzuführen, integraler Bestandteil einheitlicher Vertriebs- und Kaufabreden sei. Es hat vielmehr auch in diesem Zusammenhang die Verpflichtung der Kl. zur Werbung als Bestandteil (nur) der Rahmenvereinbarung angesehen und den Einzelkaufverträgen lediglich eine „Leistungstreuepflicht“ der Kl. in dem Sinne entnommen, daß diese als Verkäuferin keine Werbung betreiben dürfe, von der sie wisse oder zumindest billigend in Kauf nehme, daß sie den Weiterverkauf der Waren beeinträchtige oder verhindere (s.u. unter B 1). Eine solche auf das Unterlassen schädigender Werbung gerichtete Nebenpflicht ist nicht identisch mit der auf positives Tun gerichteten Verpflichtung zur Durchführung überregionaler Werbung aus dem Rahmenvertrag.

dd) Die weitere Rüge der Revision, das BerGer. habe die sich aus § 139 BGB ergebende Vermutung der Gesamtnichtigkeit nicht berücksichtigt, bleibt ebenfalls ohne Erfolg. § 139 BGB setzt voraus, daß ein einheitliches Rechtsgeschäft vorliegt (BGHZ 54, 71 (72) = NJW 1970, 1414 = LM § 1829 BGB Nr. 4). Ein solches hat das BerGer. im Hinblick auf die äußerlich und zeitlich voneinander getrennten Vertriebsvereinbarungen und Warenkaufverträge gerade nicht feststellen können. Die Darlegungs- und Beweislast dafür, daß mehrere formell selbständige Geschäfte zu einem einheitlichen Rechtsgeschäft im Sinne von § 139 BGB zusammengefaßt sind, obliegt demjenigen, der die Gesamtnichtigkeit geltend macht (Erman/Brox, BGB, 9. Aufl., § 139 Rdnr. 36). Übergangenen Sachvortrag der Bekl., der für eine Einheitlichkeit der Geschäfte sprechen könnte, zeigt die Revision nicht auf.

3. Entgegen der Ansicht der Revision sind die Einzelkaufverträge schließlich auch nicht deshalb nichtig, weil sich der Geschäftsführer der Bekl. durch Vereinbarung vom 21. 3. 1986 gegenüber der Handelsvertretung R verpflichtet hat, dieser auf ihr einseitiges Verlangen hin bei einem mehr als siebentägigen Verzug mit der Bezahlung von Warenlieferungen der Kl. sein Einzelhandelsgeschäft gegen Zahlung von 200000 DM zu übertragen. Selbst wenn diese Vereinbarung gem. § 138 BGB nichtig sein sollte, wie die Revision meint, hätte dies nicht nach § 139 BGB die Nichtigkeit der gesamten Kauf- und Vertriebsvereinbarungen der Parteien zur Folge, weil es auch insoweit an der erforderlichen Geschäftseinheit fehlt. Sachvortrag der Bekl., aus dem sich ergäbe, daß die Einzelkaufverträge nach dem Willen der Parteien mit der Wirksamkeit dieser mit einem Dritten geschlossenen Vereinbarung stehen und fallen sollten, führt die Revision nicht an.

b) Die Klageforderung ist nicht durch die Hilfsaufrechnungen der Bekl. erloschen.

1. Das BerGer. hat zu Recht angenommen, daß der Bekl. ein Schadensersatzanspruch aus dem Gesichtspunkt positiver Vertragsverletzung wegen der Verbreitung schockierender Werbung durch die Kl. nicht zusteht. Dabei kann offenbleiben, ob dieser Anspruch schon deshalb ausscheidet, weil die Rahmenvertriebsvereinbarungen der Parteien aus kartellrechtlichen Gründen nichtig sind, und ob die Ansicht des BerGer. zutrifft, daß die Kl. auch aufgrund der sich aus den Einzelkaufverträgen ergebenden Leistungstreuepflichten gehalten war, solche Werbung zu unterlassen, von der sie wußte oder zumindest billigend in Kauf nahm, daß sie den Weiterverkauf der von ihr gelieferten Waren beeinträchtigen oder gar verhindern würde. Offenbleiben kann weiter, ob die Werbung tatsächlich einen Schaden auf seiten der Bekl. verursacht hat, wie die Revision geltend macht. Denn es fehlt in jedem Fall an einer Pflichtverletzung der Kl. gegenüber der Bekl.

a) Das BerGer. stellt fest, nach dem Inhalt der Rahmenvereinbarung sei die Werbung für die von der Bekl. vertriebenen Produkte der Kl. ausschließlich deren Sache gewesen. Die Parteien hätten die von einem Einzelhandelsunternehmen wie demjenigen der Bekl. üblicherweise eigenständig durchzuführende Werbung ausdrücklich der Kl. übertragen und damit bewußt aus dem Verantwortungsbereich der Bekl. herausgenommen.

Nach diesen von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen hat das BerGer. zu Recht eine Pflichtverletzung der Kl. nicht schon darin gesehen, daß sie die hier zu beurteilende Werbekampagne ohne Unterrichtung der Bekl. und vorherige Abstimmung mit dieser durchgeführt hat. Vielmehr hatte die Kl. über die Art und Weise der Werbung als unternehmerische Entscheidung in eigener Verantwortung zu befinden.

b) Wie das BerGer. richtig erkannt hat, entband dies die Kl. allerdings nicht von der Verpflichtung, bei derartigen Entscheidungen auch auf die schutzwürdigen Belange der Bekl. Rücksicht zu nehmen.

Im Bereich des Vertriebs durch Handelsvertreter entspricht es ständiger Rechtsprechung des BGH, daß der Unternehmer zwar grundsätzlich in seinen geschäftlichen Dispositionen frei ist und die in diesem Bereich anfallenden Entscheidungen in eigener Verantwortung zu treffen hat. Gleichwohl darf er dabei den Interessen des Handelsvertreters nicht willkürlich ohne vertretbaren Grund zuwiderhandeln (BGHZ 26, 161 (174ff.) = NJW 1958, 219 = LM § 86a HGB Nr. 1; BGH, NJW 1959, 1964 = LM § 89b HGB Nr. 8/9; NJW 1961, 25 = LM Art. 169 EGBGB Nr. 1 = BB 1960, 1221 (unter 5); BGHZ 49, 39 (42) = NJW 1968, 394 = LM § 89b HGB Nr. 30; BGHZ 58, 140 (154) = NJW 1972, 629 = LM § 87a HGB Nr. 9; NJW 1986, 1931 = LM § 89a HGB Nr. 22 (unter II B 3); NJW-RR 1993, 1122 = LM H. 1/1994 § 86a HGB Nr. 7 = WM 1993, 1725 (unter II 2)). Auf Vertragshändlerverhältnisse hat der Senat diese Rechtsprechung übertragen (NJW 1958, 1138 = LM § 86a HGB Nr. 2 unter a; LM § 242 (Ba) BGB Nr. 59 = WM 1972, 464 (unter I 4a)) und ausgesprochen, daß der Hersteller den schutzwürdigen Belangen des Vertragshändlers angemessen Rechnung zu tragen hat und dessen Interessen nicht ohne begründeten Anlaß zuwiderhandeln darf (LM § 346 (Ef) HGB Nr. 7 = WM 1972, 1092 (unter II 2b); BGHZ 93, 29 (39) = NJW 1985, 623 = LM § 9 (Bm) AGBG Nr. 10; BGH, NJW-RR 1993, 678 = LM H. 9/1993 § 276 (Hb) BGB Nr. 66 = WM 1993, 1464 (unter B II 2a)).

Für Franchiseverträge oder franchiseähnliche Verhältnisse – deren Vorliegen zu Gunsten der Revision unterstellt werden kann – fehlt es zwar bislang an entsprechender höchstrichterlicher Rechtsprechung (für die Übertragung der für Handelsvertreter/Vertragshändler entwickelten Grundsätze Martinek, Franchising, S. 308ff.; Ekkenga, Die Inhaltskontrolle von Franchiseverträgen, S. 143; OLG Hamm, NJW-RR 1994, 243 (unter II 1 b)). Die grundsätzliche Pflicht der Kl., bei ihren unternehmerischen Entscheidungen auch auf schutzwürdige Belange der Bekl. Rücksicht zu nehmen, ergibt sich jedoch zum einen daraus, daß die Bekl. – wie andere Vertriebsmittler – Zeit und Geld in eine auf längere Zeit angelegte Vermittlungstätigkeit investiert hat (Brüggemann, in: GroßKomm. z. HGB, 4. Aufl., § 86a Rdnr. 20; Martinek, Aktuelle Fragen des VertriebsR, 3. Aufl., Rdnr. 159). Zum anderen folgt sie aus der Tatsache, daß sich beide Parteien durch den Abschluß der Vertriebsvereinbarung eines Teils ihrer unternehmerischen Freiheit begeben haben, die Bekl. durch die Beschränkung ihres Warensortiments auf Produkte der Kl. und diese durch die Entscheidung, ihre Erzeugnisse durch selbständige Unternehmer wie die Bekl. vertreiben zu lassen.

c) Diese Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Belange des Vertriebsmittlers darf jedoch nicht dazu führen, daß der Unternehmer bei seinen Entscheidungen etwa auf bewährte Maßnahmen beschränkt ist oder gar den jeweils „sichersten Weg“ gehen muß. Vielmehr fordert die Eigenart gewinnorientierter unternehmerischer Tätigkeit vielfach, daß neue Wege gesucht und auch risikobehaftete Entscheidungen getroffen werden. Im vorliegenden Fall kommt hinzu, daß hinsichtlich der Werbetätigkeit der Kl. die Interessen der Parteien einander nicht widersprachen, sondern gleichgerichtet waren. Die der Kl. übertragene gemeinsame Werbung sollte den Absatz der Bekl. fördern und damit unmittelbar auch dem Vorteil der Kl. dienen, die an dem Verkauf von möglichst großen Mengen ihrer Produkte an die Bekl. und damit an deren möglichst umfangreichen Nachbestellungen interessiert war. Insoweit saßen also beide Parteien – Gesellschaftern vergleichbar – „in einem Boot“. War die Werbung der Kl. erfolgreich, so profitierte davon auch die Bekl.; erwies sie sich als Fehlschlag, so hatte die Bekl. damit verbundene geschäftliche Nachteile als Folge ihrer Entscheidung, die eigene Werbung von der Kl. durchführen zu lassen, grundsätzlich hinzunehmen. Hieraus folgt zunächst, daß nicht jede weniger erfolgreiche oder erfolglose Werbung der Kl. zu Schadensersatzansprüchen ihrer Absatzmittler führt.

d) Wo genau mit Blick auf die schutzwürdigen Belange der Bekl. die Grenzen der Entscheidungsfreiheit der Kl. über die Art und Weise der durchzuführenden Werbung zu ziehen sind, muß im Streitfall nicht im einzelnen festgelegt werden. Die Behauptung der Bekl., die Kl. habe mit der Schockwerbung gezielt ihr Vertriebsnetz in Deutschland „gesundschrumpfen“ wollen, hat das BerGer. als zu allgemein und nicht unter konkreten Beweis gestellt zurückgewiesen, ohne daß die Revision dies beanstandet. Es ist rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, daß sich die Kl. von der Schockwerbung eine Steigerung ihres Bekanntheitsgrades und als deren Folge eine Erhöhung des Umsatzes ihrer Vertriebsmittler und entsprechende eigene Vorteile versprach und daß sie deshalb zur Unterlassung, Änderung oder zum Abbruch dieser Werbekampagne allenfalls von dem Zeitpunkt an verpflichtet war, in dem sie wußte oder damit rechnen mußte, in dem also objektiv erkennbar war, daß diese Art der Werbung anders als erwartet ihren Vertriebsmittler (und damit auch ihr selbst) Schaden zufügen konnte. Auf dieser Grundlage hat das BerGer. eine Pflichtverletzung der Kl. im Ergebnis zu Recht verneint.

aa) Die objektive Erkennbarkeit einer die Vertriebsmittler schädigenden Wirkung ergibt sich entgegen der Ansicht der Revision nicht schon daraus, daß verschiedene Werbemotive der Kampagne von deutschen Gerichten als sittenwidrige Werbemaßnahmen i.S. von § 1 UWG verurteilt worden sind. Der BGH (BGHZ 130, 196 (200f.) = NJW 1995, 2488 = LM H. 1/1995 § 1 UWG Nr. 692 „ölverschmutzte Ente“; BGH, NJW 1995, 2490 = LM H. 11/1995 § 1 UWG Nr. 693 „Kinderarbeit“ (unter II 2c); NJW 1995, 2493 = LM H. 11/1995 § 1 UWG Nr. 691 „HIV-Positive“ (unter II 2a)) hat – wie das BerGer. zutreffend ausführt – den Vorwurf des sittenwidrigen Werbeverhaltens im Kern darauf gestützt, daß die Kl. mit der lediglich auf sie als publizierendes Unternehmen hinweisenden Darstellung des Elends geschundener Kreatur bei einem nicht unerheblichen Teil der Verbraucher Gefühle des Mitleids und der Ohnmacht wecke, sich dabei als gleichermaßen betroffen darstelle und damit eine Solidarisierung der Einstellung solchermaßen berührter Verbraucher mit dem Namen und zugleich mit der Geschäftstätigkeit ihres Unternehmens herbeiführe. Eine solcherart gefühlsbetonte Werbung sei wettbewerbswidrig i.S. von § 1 UWG, wenn sie im wesentlichen nur zur Steigerung des Ansehens des Unternehmens bei den Verbrauchern eingesetzt werde.

Danach gründet der Vorwurf der Sittenwidrigkeit darauf, daß die beanstandeten Werbemotive der Kl. geeignet erscheinen, durch Ausnutzung von Gefühlsregungen des Mitleids und des Schreckens eine Steigerung der Verkehrsbekanntheit des Namens der Kl. und infolge einer damit verbundenen erhöhten Aufmerksamkeit der Verbraucher auf ihre Produkte eine Umsatzsteigerung hervorzurufen. Dies ist aber gerade das Gegenteil der Auffassung der Bekl., diese Art der Werbung sei schon als solche geeignet, bei den Vertriebsmittlern einen Umsatzrückgang zu bewirken.

bb) Anders als die Revision meint, ergab sich die objektive Erkennbarkeit einer Schädigung der Bekl. und gleichermaßen der Kl. selbst durch die von dieser durchgeführte Werbung auch nicht aus einem allgemeinen Erfahrungssatz. Existenz und Inhalt eines solchen kann das RevGer. selbst prüfen (BGH, NJW-RR 1993, 653 (unter 2)). Das BerGer. ist zu Recht davon ausgegangen, daß es einen Erfahrungssatz, nach dem Kunden Produkte boykottieren, weil die Werbung für die Produkte allgemein als geschmacklos, schockierend oder abstoßend empfunden wird, jedenfalls bis 1994 nicht gab. Daß schon damals von einem größeren Teil der Bevölkerung getragene Kaufboykotte bekannt gewesen seien, macht auch die Revision nicht geltend.

cc) Zwar setzt ein Schadensersatzanspruch aus positiver Vertragsverletzung grundsätzlich keine Abmahnung voraus (Senat, NJW 1981, 1264 = LM § 242 (Bc) BGB Nr. 26 = WM 1981, 331 (unter C II 3b); NJW-RR 1988, 417 = LM § 276 (H) BGB Nr. 13 (unter II 3 b cc)), worauf die Revision zu Recht hinweist. Gleichwohl geht das BerGer. aus den zu aa und bb genannten Gründen im Ergebnis zutreffend davon aus, daß für die Kl. eine möglicherweise schädigende Wirkung ihrer Werbung erst aufgrund einer entsprechenden – von ihm als „Abmahnung“ bezeichneten – Information durch ihre Händler erkennbar war. Seine auf tatrichterlichem Gebiet liegenden Ausführungen, eine derartige Information der Kl. über umsatzschädliche Wirkungen der „Schockwerbung“ sei nicht schon durch die behaupteten schriftlichen und telefonischen Mitteilungen des Geschäftsführers der Bekl. über negative Reaktionen in der Öffentlichkeit auf die Werbung der Kl. gegenüber dem Inhaber der Handelsvertretung der Kl. R in F., sondern allenfalls erst mit dem Schreiben der Bekl. vom 12. 3. 1994 erfolgt, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

Die Annahme des BerGer., angesichts der Tragweite der von der Kl. verlangten Änderung ihres unternehmerischen Verhaltens sei ihr nach diesem Schreiben jedenfalls ein Zeitraum von zwei Monaten zuzubilligen, um die Werbung zu ändern oder abzubrechen, ist ebenfalls frei von Rechtsfehlern. Nach Mitte Mai 1994 hat die Kl. nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des BerGer. aber keine Werbung mehr durchgeführt, die geeignet gewesen wäre, den Absatz der Bekl. an Benettonwaren negativ zu beeinflussen.

2. Einen Schadensersatzanspruch aus § 823 I BGB wegen eines Eingriffs der Kl. in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Bekl. durch die Schockwerbung hat das BerGer. entgegen der Ansicht der Revision ebenfalls zu Recht verneint. Es bestehen schon erhebliche Zweifel, ob die Werbung einen betriebsbezogenen Eingriff im Sinne der Rechtsprechung des BGH zum deliktischen Schutz des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs (NJW 1985, 1620 = LM § 823 (Ai) BGB Nr. 64 unter II 1) darstellt, nach der ein solcher spezifisch gegen den betrieblichen Organismus oder die unternehmerische Entscheidungsfreiheit gerichtet sein muß. Jedenfalls fehlt es mangels objektiver Voraussehbarkeit einer Schädigung der Bekl. am Verschulden der Kl.

3. Auch einen Ausgleichsanspruch analog § 89b HGB hat das BerGer. entgegen der Ansicht der Revision im Ergebnis zutreffend abgelehnt.

a) Ein Anspruch analog § 89b HGB kommt allerdings unabhängig davon in Betracht, ob die – unterstellte – franchiseähnliche Rahmenvereinbarung der Parteien infolge etwaiger Verstöße gegen Kartellrecht nichtig ist. Nach der Rechtsprechung des Senats (BGHZ 129, 290 (293) = NJW 1995, 1958 = LM H. 10/1995 § 89b HGB Nr. 103; Senat, NJW 1997, 655 = LM H. 3/1997 § 89b HGB Nr. 111 = WM 1997, 235 (unter B II 1a)) führt im unmittelbaren Anwendungsbereich von § 89b HGB die Nichtigkeit des Handelsvertretervertrages nicht zum Wegfall des Ausgleichsanspruchs, wenn der Unternehmer die vom Handelsvertreter hergestellten Geschäftsverbindungen tatsächlich weiterhin nutzen kann. Bei einer analogen Anwendung von § 89b HGB kann nichts anderes gelten.

b) Ob § 89b HGB überhaupt im Franchiseverhältnis ebenso wie im Vertragshändlerverhältnis analog anwendbar ist (dafür Küstner/v. Manteuffel/Evers, Hdb. des gesamten AußendienstR II, 6. . Aufl., Rdnrn. 121-124; Martinek, Franchising, S. 363ff. (366); ders., Moderne Vertragstypen II, S. 150ff. (156); v. Hoyningen-Huene, in: , § 89b MünchKomm-HGBRdnr. 24; Palandt/Putzo, BGB, 56. Aufl., Einf. v. § 581 Rdnr. 29; Eckert, WM 1991, 1237 (1245f.); Köhler, NJW 1990, 1689 (1690ff.); Matthießen, ZIP 1988, 1989 (1096)), ist bisher höchstrichterlich nicht entschieden und bedarf auch im vorliegenden Falle keiner Entscheidung. Denn hier sind die nach der ständigen Rechtsprechung des BGH zum Vertragshändlerverhältnis (zuletzt Senat, NJW 1996, 2159 = LM H. 9/1996 § 84 HGB Nr. 26 = WM 1996, 1555 (unter II 1) m.w. Nachw.) erforderlichen Analogievoraussetzungen nicht erfüllt.

Dabei kann offenbleiben, ob es – wie das BerGer. meint – schon an der Voraussetzung fehlt, nach der das Rechtsverhältnis zwischen den Parteien so ausgestaltet sein muß, daß es sich nicht in einer bloßen Verkäufer-Käufer-Beziehung erschöpft, sondern der Vertriebsmittler so in die Absatzorganisation seines Vertragspartners eingegliedert ist, daß er wirtschaftlich in erheblichem Umfang einem Handelsvertreter vergleichbare Aufgaben zu erfüllen hat. Entgegen der Auffassung des BerGer. wird für eine solche Eingliederung in die Absatzorganisation nicht das Vorhandensein eines Alleinvertriebsrechts mit Gebietsschutz des Absatzmittlers verlangt (BGH, NJW 1982, 2819 = LM § 89b HGB Nr. 63 = WM 1982, 1125 (unter II 1a)).

Jedenfalls mangelt es an der für eine analoge Anwendung des § 89b HGB erforderlichen Verpflichtung der Bekl., der Kl. ihren Kundenstamm zu übertragen, d.h. ihre Kundendaten zu übermitteln, so daß diese sich bei Vertragsende die Vorteile des Kundenstamms sofort und ohne weiteres hätte nutzbar machen können. Eine solche Verpflichtung ist zwischen den Parteien nicht begründet worden.

Ob beim Franchising anders als im Vertragshändlerverhältnis (Senat, NJW 1996, 2159 = LM H. 9/1996 § 84 HGB Nr. 26) anstelle einer rechtlichen Verpflichtung zur Übertragung des Kundenstamms das tatsächliche Verbleiben des Kundenstamms des Franchisenehmers beim Franchisegeber die analoge Anwendung von § 89b HGB rechtfertigen könnte (vgl. Martinek, Franchising, S. 363f., 366f; ders., Moderne Vertragstypen II, 154 (156f.); Ekert, WM 1991, 1237 (1243f.), Köhler, NJW 1990, 1689 (1691, 1693f.)), bedarf ebenfalls keiner Entscheidung. Nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des BerGer. liegt auch eine tatsächliche Übernahme des Kundenstamms der Bekl. durch die Kl. nicht vor, weil davon auszugehen ist, daß die Bekl. entweder nicht über einen nennenswerten festen Käuferstamm verfügte oder ihr dieser treu geblieben ist, nachdem sie ihre Geschäftstätigkeit mit vergleichbaren Produkten anderer Textilhersteller fortführt.

c) Darauf, ob ein etwaiger Ausgleichsanspruch auch wegen Versäumung der Jahresfrist gem. § 89b IV HGB ausgeschlossen wäre, wie das BerGer. annimmt, kommt es mithin nicht an.

c) Für den erkennenden Senat bestand keine Veranlassung, die Sache entsprechend dem Antrag der Revision zur Entscheidung an den Kartellsenat abzugeben. Eine Zuständigkeit des Kartellsenats kommt über die Fälle des § 95 GWB hinaus nur in Betracht, wenn kartellrechtliche Vorfragen entscheidungserheblich sind (BGHZ 64, 342 (344ff.) = NJW 1975, 1840; BGHZ 114, 218 (224f.) = NJW 1991, 2963 = LM § 26 GWB Nr. 73). Solche lagen hier nicht vor mit Ausnahme der Frage nach der Reichweite des Schriftformerfordernisses des § 34 GWB (s.o. unter A 2b). An einer Beurteilung dieser kartellrechtlichen Frage war der Senat nicht gehindert, weil sie in rechtlicher Hinsicht durch die Rechtsprechung des Kartellsenats geklärt ist (BGH, NJW 1983, 2143 = LM § 242 (Bb) BGB Nr. 105 = WM 1983, 1064 (unter IV 2); NJW 1987, 1084 = LM § 6a UWG Nr. 4 (unter II 3), insoweit in BGHZ 99, 314 nicht abgedr.; NJW-RR 1989, 120 = LM § 81 PatG 1981 Nr. 3 = BGHR GWB § 96 Abs. 2 Satz 1 Nichtangriffsabrede 1; NJW 1993, 64 = LM H. 2/1993 § 34 GWB Nr. 29 = BGHR GWB § 96 Abs. 2 Aussetzung 1, insoweit in BGHZ 119, 283 nicht abgedr.). Entgegen der Ansicht der Revision ist es deshalb auch nicht zu beanstanden, daß das BerGer. den Rechtsstreit weder an den Kartellsenat des OLG abgegeben noch gem. §§ 96 II, 97 Halbs. 2 GWB ausgesetzt hat.

Kommentare sind geschlossen.