OLG Hamburg: Urteil vom 21.06.2018, Az. 3 U 151/17 – Verbot des Vertriebs von Luxusprodukten auf Online-Plattformen ohne Zustimmung des Markeninhabers

I. Sachverhalt (vereinfacht)

1. Die Antragstellerin ist die deutsche Tochtergesellschaft eines japanischen Unternehmens, das unter anderem im Bereich Kosmetik tätig ist und u. a. die „K.“ bzw. „S.“-Kosmetik-Produkte herstellt und weltweit über ihre Tochtergesellschaften, in Deutschland über die Antragstellerin in einem selektiven Vertriebssystem ausschließlich über nach strengen Kriterien ausgewählte Fachhandelsgeschäfte vertreibt. Die Muttergesellschaft der Antragstellerin ist sowohl Inhaberin der Unionswortmarke als auch der Deutschen Wortmarke von „S.“ und „K“.

2. Die Antragsgegnerin ist eine Online-Händlerin im Bereich Kosmetik, die ihre Waren, z. B. auch eine Vielzahl der Kosmetikprodukte der Antragstellerin mit den Marken „K.“ und/oder „S.“, auch über die Onlineplattform www.real.de vertreibt. Die Onlineplattform gehört der real-SB-Warenhaus GmbH (im Folgenden R), einer zur „Metro Group“ gehörenden Handelskette, die in Deutschland mehrere hundert Supermärkte betreibt, in denen hauptsächlich Lebensmittel, daneben aber auch unter anderem Kosmetikprodukte angeboten werden. Die Besonderheit dieser Onlineplattform besteht darin, dass hierüber R nicht nur seine Waren zum Verkauf anbietet, sondern es können auch Dritte – wie die Antragsgegnerin – über diese Onlineplattform Waren vertreiben.

3. Die Antragstellerin wendet sich im vorliegenden einstweiligen Verfügungsverfahren aus Markenrechten, nämlich aus den oben genannten Marken „K“ und „S“, gegen den Vertrieb ihrer Produkte über die Onlineplattform www.real.de durch die Antragsgegnerin.

a) Die Antragstellerin hat vorgetragen, dass ihre Produkte Luxusprodukte seien, die sich – auch preislich – auf einer Ebene mit den hochwertigsten auf dem Markt erhältlichen Kosmetikprodukten bewegten. Die Produkte würden ausschließlich im Rahmen eines selektiven Vertriebssystems vertrieben, um das luxuriöse Image der Produkte und Marken zu erhalten und zu schützen. Dieses selektive Vertriebssystem der Antragstellerin sehe unter anderem vor, dass die Produkte der Antragstellerin ausschließlich über Geschäfte und Online-Shops vertrieben werden, die dem luxuriösen Image der Produkte umfassend Rechnung tragen könnten, d. h. die Verkaufsgeschäfte müssten dem Maßstab einer anspruchsvollen Facheinzelhandelsparfümerie oder Parfümerieabteilung eines Weltstadtwarenhauses genügen. Im Onlinevertrieb sei stets auf die Beratungsmöglichkeit im Verkaufslokal hinzuweisen. Bei der Produktpräsentation sei sowohl im Online- als auch im Offline-Vertrieb darauf zu achten, dass die Produkte der Antragstellerin nicht in unmittelbarer Nähe zu Produkten angeboten würden, die das luxuriöse Image der Produkte und Marken schädigten.

b) Nach Auffassung der Antragstellerin sei das hier von der Antragsgegnerin genutzte Real-Online-Portal – abgesehen von dem breiten Warenangebot durch unterschiedlichste Anbieter – dadurch gekennzeichnet, dass es zweckmäßig, wenig ansprechend und sonderangebotsorientiert ausgestaltet sei. Der Fokus liege darauf, den Kunden mit auffällig beworbenen Niedrigpreisen, Sonderangeboten und Rabatten anzulocken. Die Produktfotos seien teilweise unprofessionell. Eine Produktberatung finde nicht statt und der Kunde werde auch nicht auf eine Beratung im stationären Handel verwiesen. Bei den angebotenen Produkten stünden höherpreisige Waren und „Discounterprodukte“ wahllos nebeneinander.

c) Der Vertrieb der streitgegenständlichen Kosmetikprodukte durch die Antragsgegnerin habe im Markt zu erheblichen Irritationen geführt. Mehrere Vertriebspartner der Antragstellerin hätten sich über den vermeintlich durch die Antragstellerin initiierten Vertrieb beschwert und eine massive Imageschädigung geltend gemacht. Der Vertrieb über das Portal www.real.de sei daher nicht mit dem Vertrieb der Antragstellerin über den Parfümeriehändler Douglas zu vergleichen. Douglas halte die strengen Selektionskriterien der Antragstellerin ein. Die Antragstellerin habe die Parfümerie Douglas autorisiert, ihre Produkte über den Douglas-Online-Shop sowie über rund die Hälfte der stationären Douglas Filialen in Deutschland zu vertreiben. Douglas sei eine anspruchsvolle Facheinzelhandelsparfümerie, deren Sortiment die hochwertigsten auf dem Markt verfügbaren Kosmetikprodukte umfasse. Der Verkauf über Amazon sei von der Antragstellerin nicht autorisiert. Es handele sich um Graumarktware.

d) Die Antragsgegnerin hat eingewendet, dass sie selbst auf der Onlineplattform keine Kosmetikprodukte mit den Marken „S.“ oder „K.“ verkaufe. Aus den Allgemeinen Geschäftsbedinungen des Onlineshops ergebe sich eindeutig, dass Vertragspartner für alle Bestellungen Real selbst sei. Die Antragsgegnerin sei nur Versender der Ware und nehme Retouren entgegen. Das Produktangebot werde Real mit einem Datenfeed digital zur Verfügung gestellt. Sie handele, wie z.B. DHL, als Fulfillment Dienstleiter für Real. Sie betreibe ferner nicht den Onlineshop www.p.europe.de. Dieser Shop werde durch die englische Muttergesellschaft betrieben. Es erfolge auf der Seite www.real.de auch keine Verlinkung auf den Onlineshop www.p.europe.de. Dort sei lediglich die Internetadresse angegeben.

4. Die Antragstellerin begehrt im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes, der Antragsgegnerin zu verbieten im geschäftlichen Verkehr im Gebiet der Europäischen Union (hilfsweise in der Bundesrepublik Deutschland) auf der Onlineplattform www.real.de Kosmetikprodukte mit ihren Marken anzubieten, zu bewerben, zu vertreiben oder sonst in den Verkehr zu bringen.

II. Entscheidungsgründe

Das OLG Hamburg hat die vom LG Hamburg erlassene einstweilige Verfügung aufrechterhalten.

1. Der Verfügungsanspruch der Antragstellerin sei gegeben.

Die Antragstellerin hat gemäß Art. 9 II a, III; 129 I, II; 130 I UMV in Verbindung mit Art. 25 III 1 UMV einen Unterlassungsanspruch gegen die Antragsgegnerin.

a) Die Inhaberschaft der Marken bzw. der Lizenzerteilung mit dem Recht zur Markennutzung für die Antragstellerin als Tochtergesellschaft sei ausreichend nachgewiesen.

b) Die Antragsgegnerin sei auch für die konkrete Verletzungshandlung in Gestalt des angegriffenen Verkaufsverbotes unter www.real.de verantwortlich.

Verantwortlich sei jeder Täter, Mittäter, Anstifter oder Gehilfe. Vorliegend handelten die Antragsgegnerin und der Plattformbetreiber von www.real.de in Mittäterschaft. Zwar werde der Kaufvertrag nicht unmittelbar zwischen dem Endkunden und der Antragsgegnerin geschlossen, sondern zwischen dem Endkunden und Real. Die Antragsgegnerin sei aber auch nicht bloß Versender (fremder) Ware und wie ein „Auslieferungsagent“ (vgl. OLG Hamburg GRUR-RR 2007, 350) an dem Angebot und dem Verkaufsvorgang beteiligt. Vielmehr gestalte die Antragsgegnerin das Angebot und den Verkaufsvorgang über ihren „digitalen Datenfeed“ zu Real. Sie sei – für den Endkunden über die Shopangabe sichtbar – in den Verkaufsprozess bei www.real.de eingebunden. Real und die Antragsgegnerin verfolgten das gemeinsame Ziel, die Ware der Antragsgegnerin über das Internet zu vertreiben.

c) Es liege auch eine Markenrechtsverletzung der Antragsgegnerin vor. Denn die Antragsgegnerin nutzt die streitgegenständlichen Marken für den Vertrieb über www.real.de. Es ist zwischen den Parteien unstreitig, dass ein solcher Fall der Doppelidentität vorliegt und sich die Antragsgegnerin für den Vertrieb der in Rede stehenden Produkte nicht auf eine Zustimmung der Markeninhaberin berufen kann.

c) Die Antragsgegnerin könne sich auch nicht mit Erfolg auf den Einwand der sog. Erschöpfung gemäß Art. 15 UMV berufen.

aa) Zwar seien die Voraussetzungen des Art. 15 I UMV erfüllt, da die Ware unstreitig zum Weiterverkauf mit Zustimmung der Markeninhaberin in der Europäischen Union in Verkehr gebracht worden sei.

Damit sei der Einwand durch die Antragsgegnerin zunächst einmal zutreffend erhoben.

bb) Eine Erschöpfung sei dennoch nicht eingetreten, weil die Voraussetzungen des Art. 15 II UMV vorliegen. Danach finde Art. 15 I UMV keine Anwendung, wenn sich der Inhaber der Marke ihrer Benutzung im Zusammenhang mit dem weiteren Vertrieb der Waren aus berechtigten Gründen widersetze, insbesondere wenn der Zustand der Waren nach dem Inverkehrbringen verändert oder verschlechtert worden sei. Ein solch berechtigter Grund sei vorliegend zu bejahen, da der Vertrieb der in Rede stehenden Produkte auf der Onlineplattform www.real.de den guten Ruf der Antragsmarken erheblich zu schädigen drohe.

(1) Der EuGH halte das Vorliegen eines berechtigten Grundes grundsätzlich dann für möglich, wenn die Verwendung der Marke geeignet sei, deren Ruf zu schädigen (vgl. EuGH, GRUR Int. 1998, 140, Rn. 43 – Dior/Evora; Thiering in: Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 12. Auflage 2018, § 24 Rn. 164; Eisenführ/Eberhardt in: Eisenführ/Schennen, UMV, 5 Auflage 2017, Art. 13 Rn. 33). Bei Waren mit Luxus- und Prestigecharakter dürfe daher der Wiederverkäufer nicht in unlauterer Weise dem berechtigten Interesse des Markeninhabers zuwiderhandeln. Er müsse also darauf bedacht sein, mit seiner Werbung die Wertschätzung der Marke nicht dadurch zu beeinträchtigen, dass er den Luxus- und Prestigecharakter der betreffenden Waren sowie die von ihnen ausgehende luxuriöse Ausstrahlung schädige. Eine solche erhebliche Schädigung, so der EuGH weiter, könne dann vorliegen, wenn der Wiederverkäufer nicht dafür sorge, dass die Marke in seinem Werbeprospekt nicht in einer Umgebung erscheine, die das Image, das der Inhaber seiner Marke habe verschaffen können, erheblich beeinträchtigen könnte (EuGH, a. a. O., Rn. 45 ff.).

(2) Entsprechend diesen Grundsätzen drohe der streitige Vertrieb vorliegend den guten Ruf der Antragsmarken zu schädigen. Die Antragstellerin habe glaubhaft gemacht, dass sie hochwertige und hochpreisige Waren mit Luxus- und Prestigecharakter vertreibe und sie die Produkte im Rahmen eines selektiven Systems ausschließlich an nach strengen Kriterien ausgewählte Fachhandelsgeschäfte abgebe, die fachliche wie räumliche Voraussetzungen erfüllen müssen, um dem luxuriösen Image der Ware zu genügen. Dem genüge der Vertrieb der Antragsgegnerin unter www.real.de nicht. Die Art und Weise der dortigen Warenpräsentation ziehe die Antragsmarken ins Alltägliche und Gewöhnliche.

(3) Der Annahme einer Rufschädigung stehe es nicht entgegen, dass der Markeninhaber seine hochwertigen Kosmetikprodukte auch an Unternehmen abgebe, wie etwa die Firma Douglas, die eine Vielzahl von Fachgeschäften für Kosmetik- und Parfümerieprodukte und daneben auch einen Onlineshop betreibe. Denn der von der Firma Douglas unterhaltene Onlineshop unterscheide sich grundlegend von dem Online-Shop von Real.

(4) Ebenso unerheblich sei ein etwaiger Vertrieb über die Onlineplattform www.amazon.de. Die Antragstellerin habe schlüssig dargelegt, dass dort Graumarktware vertrieben werde, die weder von ihr selbst noch von den von ihr autorisierten Vertriebspartnern des Vertriebssystems angeboten würden.. Sie gehe gegen diesen nicht autorisierten Vertrieb auch rechtlich nach Kräften vor. Dass dieser unautorisierte Vertrieb einen Umfang angenommen habe, dass ein selektives Vertriebsnetz der Antragstellerin nicht mehr existent wäre, habe die Antragsgegnerin nicht dargelegt.

2. Auch der Verfügungsgrund, also die besondere Dringlichkeit gemäß §§ 935, 940 ZPO sei gegeben.

III. Fazit

Im gesamten Vertriebsrecht ist das Verbot des Vertriebs über Internetplattformen gegenwärtig ein Dauerbrenner. In den letzten Newslettern haben wir darüber berichtet, das das Vertriebsunternehmen Vertriebspartnern den Online-Vertrieb über bestimmte, als billig empfundene Online-Plattformen verbieten möchte.

Vorliegend ging die Antragstellerin offensichtlich nicht gegen einen eigenen Vertriebspartner, sondern gegen einen nicht mit ihr vertraglich gebunden Wiederverkäufer vor, der über die Plattform www.real.de die hochwertigen Kosmetikgüter der Antragstellerin vertrieb. Anknüpfungspunkt waren hier daher markenrechtliche Unterlassungsansprüche aus dem Unionsrecht, da die Antragstellerin sich auf Unionsmarken berief.

Wie bereits die Vorinstanz bejahte das OLG Hamburg den markenrechtlichen Unterlassungsanspruch,
da der Vertrieb der Antragsgegnerin dazu geeignet sei, das Luxusimage der Produkte der Antragstellerin zu beeinträchtigen und die Antragstellerin auch im Rahmen ihres eigenen Vertriebs über ihr selektives Vertriebssystems die Einhaltung der geforderten Qualitätskriterien für den Online-Vertrieb einhielt und notfalls auch rechtlich durchsetzte. Ein nicht ins Gewicht fallender sog. Graumarkt auf nicht autorisierten Online-Portalen änderte daran nach Auffassung des OLG Hamburg nichts.

Ähnlich wie bei den vertraglichen Online-Vertriebsverboten bleibt auch im hier maßgeblichen markenrechtlichen Kontext die Frage nach wie vor ungeklärt, ob sich die Zulässigkeit von Vertriebsverboten für Online-Portale alleine auf Luxuswaren beschränkt oder auch auf andere Waren Anwendung findet. Die weitere Rechtsprechung bleibt dazu abzuwarten.

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