OLG Hamm: Strenge Anforderungen an eine Rentabilitätsvorschau des Franchisegebers

In einer Entscheidung vom 22.12.2011 hat das OLG Hamm (OLG Hamm, Az.: 1-19 U 35/10) sehr strenge Maßstäbe an die vorvertragliche Aufklärungspflicht des Franchisegebers bei Übergabe einer sog. Rentabilitätsvorschau gestellt. Die vom Franchisegeber dem Franchisenehmer vorvertragliche überreichte Rentabilitätsvorschau enthielt insbesondere Angaben zu erzielbaren Umsatzerlösen des Franchisenehmer-Interessenten.

Der Franchisenehmer war später hinter den vom Franchisegeber in der Rentabilitätsvorschau mitgeteilten Umsätzen zwischen 40 % und 75 % während seiner Franchisetätigkeit zurückgeblieben. Im gerichtlichen Verfahren hatte der Franchisenehmer behauptet, dass das Auseinanderfallen zwischen den in der Rentabilitätsvorschau aufgeführten und den tatsächlich von ihm erwirtschafteten Umsatzzahlen und Gewinnen darauf beruhte, dass in der Rentabilitätsvorschau alte Ergebnisse aus Eigenbetrieben des Franchisegebers zugrunde gelegen worden seien. Die Zahlen seien ohne Berücksichtigung spezieller betriebswirtschaftlicher Faktoren wie Bevölkerungszahlen, Struktur, Kaufkraft etc. vom Franchisegeber beschönigend zusammengestellt worden.

Der Franchisegeber hat im gerichtlichen Verfahren mitgeteilt, dass die Zahlen von ihm aus fünf verschiedenen Standorten zusammengestellt worden waren, ohne jedoch eine genaue Berechnung offen zu legen oder zur Vergleichbarkeit dieser fünf Standorte mit dem streitgegenständlichen Standort des Franchisenehmers vorzutragen. Das OLG Hamm sah diesen Sachvortrag des Franchisegebers als nicht ausreichend an und nahm daher eine Pflichtverletzung des Franchisegebers wegen der Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten an.

Eine weitere Besonderheit bestand in dem Fall hinsichtlich der Ursächlichkeit zwischen der überreichten (fehlerhaften) Rentabilitätsvorschau und dem Abschluss mehrerer zeitlich nachfolgender Franchiseverträge.

Der Franchisenehmer hatte nach Aushändigung der Rentabilitätsvorschau nicht nur im November 2000 für einen ersten Standort, sondern am 16.12.2001 noch zwei weitere Franchiseverträge für zwei andere Standorte abgeschlossen. Der Franchisenehmer trug vor, dass die vor Abschuss des ersten Franchisevertrages überreichte Rentabilitätsvorschau nicht nur ursächlich zum Abschluss des ersten, sondern auch ursächlich zum Abschluss der weiteren beiden Franchiseverträge am 16.12.2001 geführt habe.

Auch an dieser Stelle folgte das OLG Hamm der Argumentation des Franchisenehmers. Das OLG Hamm verwies zunächst auf den Anscheinsbeweis, wonach im Franchiserecht bei unzureichenden vorvertraglichen Informationen des Franchisegebers zu vermuten ist, dass der Franchisenehmer bei einer pflicht- und ordnungsgemäßen Beratung den Franchisevertrag nicht abgeschlossen hätte. Nach Auffassung des OLG Hamm konnte der Franchisegeber diese Vermutungswirkung nicht ausräumen. Der Franchisegeber habe es nämlich unterlassen, eine korrigierte Rentabilitätsvorschau vor Abschluss der neuen Franchiseverträge zu überreichen. Auch müsse sich der Franchisegeber nicht darauf verweisen lassen, dass er vor Abschluss des zweiten und dritten Franchisevertrages bereits die eigenen Umsatzzahlen aus dem zuerst eröffneten Betrieb gekannt habe.

Auch ein Mitverschulden des Franchisenehmers sah das OLG Hamm als nicht gegeben an. Zwar wäre das Fehlen eines reellen Bezugssystems hinter der Rentabilitätsvorschau ggf. durch einen Fachmann ggf. erkennbar gewesen; ein Franchisenehmer dürfe jedoch bei Abschluss eines Franchisevertrages auf die erteilten Informationen des Franchisegebers vertrauen.

Fazit: Die Entscheidung ist im Schrifttum des Franchiserechts durchaus auf Kritik gestoßen (vgl. RA Prof. Dr. Eckhard Flohr, ZVertriebsR 3/2012, S. 182). Insbesondere sei das OLG Hamm mit seinem Urteil nicht der selbstständigen Unternehmerstellung des Franchisenehmers und der wirtschaftlichen Risikoverteilung zwischen Franchisegeber und Franchisenehmer gerecht geworden. Ungeachtet dieser Kritik wird sich der Rechtsverkehr, solange keine höchstrichterliche Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zu der vorliegenden Problematik besteht, auf die Entscheidung des OLG Hamm einstellen müssen.

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