EuGH: Verbot des Vertriebs von Luxuswaren über Drittplattformen im Internet

Der Europäische Gerichtshof hat sich in seinem Urteil vom 06.12.2017, Az. C-230/16 (Coty Germany GmbH ./. Parfümerie Akzente GmbH) mit dem  Verbot des Vertriebs von Luxuswaren über Drittplattformen im Internet beschäftigen müssen. Konkret ging es um die Pflicht des Vertriebsmittlers, Luxuswaren des Vertriebsunternehmens nicht über www.amazon.de zu vertrieben.

 I. Sachverhalt

  1. Die Klägerin, die Coty Germany GmbH, verkauft Luxuskosmetika in Deutschland. Der Vertrieb der Klägerin erfolgt hierbei durch autorisierte Vertragshändler (Vertriebspartner), wie z. B. durch die beklagte Parfümerie Akzente GmbH auf der Grundlage von Vertriebsverträgen. Die Beklagte verkaufte die Produkte der Klägerin in ihren Geschäften und auch über das Internet, z.B. über www.amazon.de.
  1. Die Klägerin betreibt ein sog. selektives Vertriebssystem. Ein selektives Vertriebssystem ist nach Art. 1 e) EU-Verordnung Nr. 330/2010 vom 20.04.2010 („Vertikal-VO“) ein Vertriebssystem, in dem sich das Vertriebsunternehmen verpflichtet, die Vertragswaren/-dienstleistungen nur an die Vertriebspartner zu verkaufen, die anhand festgelegter Merkmale ausgewählt sind, und in denen sich diese Händler verpflichten, die Vertragswaren/-dienstleistungen nicht an andere Händler zu verkaufen, die innerhalb des Vertriebsgebietes des Vertriebssystems nicht als Vertriebspartner zugelassen sind. Auch Franchisesysteme sind selektive Franchisesysteme, wenn sie diese Vorgaben bei der Auswahl der Vertriebspartner und im Franchisevertrag umsetzen (BGH, NJW 2009, 1753-1756).
  1. Der Vertrieb der Waren der Klägerin durfte „zur Unterstützung des Luxus-Images“ nur in autorisierten Geschäften, die nach Vorgaben der Klägerin ausgestattet sein und „den Luxus-Charakter herausstellen und unterstützen“ mussten, erfolgen. Nach einer Zusatzvereinbarung über den Internetvertrieb war es der Beklagten untersagt, den Vertrieb über einen anderen Namen oder ein Drittunternehmen durchzuführen, welchem die Autorisierung durch die Klägerin nicht erteilt worden war. Im Jahr 2010 überarbeitete die Klägerin (aufgrund des Inkrafttretens der EU-Verordnung Nr. 330/2010 vom 20.04.2010) ihre Vertriebsverträge sowie die Zusatzvereinbarung. Die Beklagte war nunmehr dazu berechtigt, ihre Produkte im Internet anzubieten und zu verkaufen, soweit sie ihr Internetgeschäft als elektronisches Schaufenster ihres autorisierten Ladengeschäftes führe und den Luxuscharakter der Produkte wahre. Der Gebrauch einer anderen Geschäftsbezeichnung sowie der Verkauf über nicht von der Klägerin autorisierte Internet-Plattformen waren der Beklagten untersagt. Die Beklagte weigerte sich, den Änderungen der Verträge zuzustimmen und den Verkauf über www.amazon.de einzustellen.
  1. Die Klägerin erhob daraufhin Klage beim Landgericht Frankfurt a.M. mit dem Antrag, der Beklagten zu untersagen, die Produkte der Klägerin über die Plattform www.amazon.de zu vertreiben.Das Landgericht Frankfurt a.M. (Urteil vom 31.07.2014, Az. 2-03 O 128/13) wies die Klage mit der Begründung ab, dass die streitige Vertragsklausel, auf die sich die Klägerin zur Durchsetzung ihres Unterlassungsantrages berufe, gegen § 1 GWB (Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen) bzw. Art. 101 Abs. 1 AEUV (Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf Gruppen von vertikalen Vereinbarungen und abgestimmten Verhaltensweisen) verstoße. Das Landgericht Frankfurt a.M. führte aus, dass die Aufrechterhaltung eines prestigeträchtigen Markenimages die Einführung eines selektiven Vertriebssystems, das grundsätzlich wettbewerbsbeschränkend sei, nicht rechtfertigen könne. Die Klägerin habe nicht dargetan, dass der pauschale Ausschluss des Internetvertriebs über Drittplattformen mit Effizienzvorteilen verbunden sei, die die damit einhergehenden Wettbewerbsnachteile der Beklagten überwögen. Zudem habe die Klägerin ebenso geeignete, aber weniger wettbewerbsbeschränkende Mittel verwenden können, wie z.B. die Anwendung spezifischer Qualitätskriterien für die verwendeten Drittplattformen.
  1. Die Klägerin legte gegen das Urteil Berufung beim OLG Frankfurt a.M. ein. Das OLG Frankfurt a.M. setzte das Verfahren zunächst aus, um vorab vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) klären zu lassen, wie das Internet-Vertriebsverbot der Klägerin am Kartellrecht der Europäischen Union gemessen werden müsse.

II. Entscheidungsgründe

  1. Der EuGH stellte zunächst fest, dass ein selektives Vertriebssystem für Luxuswaren, das primär der Sicherstellung des Luxusimages dieser Waren diene, mit Art. 101 Abs. 1 AEUV vereinbar sei, sofern

–    die Auswahl der Wiederverkäufer (Vertriebspartner) anhand objektiver Gesichtspunkte qualitativer Art erfolge,

–    diese Gesichtspunkte der Auswahl einheitlich für alle Wiederverkäufer (Vertriebspartner) festgelegt und ohne Diskriminierung angewendet würden und

–    die festgelegten Kriterien nicht über das erforderliche Maß hinausgingen.

Bei Luxuswaren beruhe die Qualität nicht allein auf ihren materiellen Eigenschaften, sondern auch auf ihrem Prestigecharakter, der ihnen eine luxuriöse Ausstrahlung verleihe und der ein wesentliches Element dafür sei, dass die Verbraucher sie von anderen ähnlichen Produkten unterscheiden könnten. Eine Schädigung dieser Ausstrahlung sei geeignet, die Qualität der Waren selbst zu beeinträchtigen. Selektive Vertriebssysteme seien daher grundsätzlich geeignet, zum Ansehen der Waren und deren luxuriöser Ausstrahlung beizutragen, und daher mit Art. 101 Abs. AEUV vereinbar.

  1. Davon zu trennen sei die Frage, ob einzelne Vertragsklauseln eines selektiven Vertriebssystems gegen Kartellrecht verstießen. Auch das Verbot des Verkaufs von Vertragswaren im Internet über nach außen erkennbare Drittplattformen stelle aber nicht per se einen Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV dar. Es sei Aufgabe des OLG Frankfurt a.M. zu prüfen, ob die unter II.1. genannten Bedingungen entsprechend für die einzelne Klausel eingehalten würden. Sei dies aber der Fall, sei die Vertragsklausel wirksam.

Die allgemeinen Kriterien für die Auslegung des Unionsrechts zur Ermöglichung einer Entscheidung des OLG Frankfurt a.M. über die einzelne Vertragsklausel seien aber vom EuGH aufzustellen.

a) Es sei zunächst feststellen, dass die im Streit stehende Vertragsklausel das Luxus- und Prestigeimage der Waren sicherstellen soll und diese Klausel von der Klägerin offenbar diskriminierungsfrei gegenüber ihren Vertragshändlern angewendet werde.

b) Zu prüfen sei daher, ob das Verkaufsverbot über Internetplattformen in einem angemessenen Verhältnis zum angestrebten Ziel stehe, also geeignet sei, das Luxusimage der Waren sicherzustellen, ohne die Händler unnötig einzuschränken. Dies sei vorliegend aber auch gegeben.

aa) Für die Klägerin sei gewährleistet, dass der Verkauf ausschließlich über ihre Händler erfolge und überprüft werden könne, ob ihre Waren im Internet in einer Umgebung verkauft würden, die den vereinbarten Qualitätsanforderungen entsprechen.

bb) Die Klägerin könne bei Nichteinhaltung der Voraussetzungen vertraglich gegen ihren Händler vorgehen. Bei Drittplattformen sei dies nicht der Fall, da die Klägerin mit diesen keine Vertragsbeziehung unterhalte.

cc) Der ausschließliche Verkauf über autorisierte Händler und deren autorisierte Internetseiten trage zum Luxusimage und der Exklusivität der Waren bei.

dd) Den Händlern sei der Verkauf im Internet über ihren eigenen Internetshop als auch über Drittplattformen erlaubt, sofern deren Einschaltung für den Verbraucher nicht erkennbar sei. Es handle sich also anders als im Urteil des EuGH vom 13.10.2011 (EuGH, EuZW 2012, 28 – „Pierre Fabre Dermo-Cosmétique“) nicht um ein Totalverbot des Vertriebs im Internet.

c) Im Ergebnis gehe daher das Verbot, beim Internetverkauf nach außen erkennbar Drittplattformen einzuschalten, nicht über das hinaus, was erforderlich sei, um das Luxusimage dieser Waren sicherzustellen. Das Verbot sei daher mit Artikel 101 Abs. 1 AEUV vereinbar.

  1. Wenn das OLG Frankfurt a.M. dazu kommen sollte, dass die streitige Vertragsklausel den Wettbewerb im Sinne des Art. 101 Abs. 1 AEUV einschränke, müsse ohnehin geprüft werden, ob eine Freistellung des Verbots nach Art. 2 EU-Verordnung Nr. 330/2010 vom 20.04.2010 zu einer kartellrechtlichen Unbedenklichkeit führen.

a) Hierfür sei zum einen erforderlich, dass die in Art. 3 EU-Verordnung Nr. 330/2010 vom 20.04.2010 genannte Marktanteilsschwelle von 30% nicht überschritten würde, was nach Aktenlage nicht ersichtlich sei. Die Coty Germany GmbH und die Beklagte als Vertriebspartnerin dürften auf ihrem jeweiligen Absatzmarkt nicht mehr als 30% Marktanteil haben.

b) Dann sei für eine Freistellung erforderlich, dass das Internet-Vertriebsverbot nicht

–    eine unzulässige Beschränkung der Kundengruppe nach Art. 4 b) EU-Verordnung Nr. 330/2010 vom 20.04.2010 der VO Nr. 330/2010), an die der Vertriebspartner verkaufen darf, oder

–    eine Beschränkung des aktiven passiven Verkaufs an Endverbraucher nach Art. 4 c) EU-Verordnung Nr. 330/2010 vom 20.04.2010

darstelle. Die Freistellung sei aber auch danach nicht ausgeschlossen.

aa) Eine unzulässige Beschränkung nach Art. 4 b) EU-Verordnung Nr. 330/2010 vom 20.04.2010 liege nicht vor, da den Händlern nicht generell der Verkauf im Internet untersagt sei. Die Händler könnten unter bestimmten Bedingungen auf Suchmaschinen und auch Drittplattformen Werbung für sich zu betreiben, so dass die Kunden auch auf diesen Wegen Zugang zum Internetshop des Vertriebspartners hätten. Die Online-Käufer auf bestimmten Drittplattformen seien auch keine abgrenzbare Kundengruppe im Sinne des Art. 4 b) EU-Verordnung Nr. 330/2010 vom 20.04.2010 („Vertikal-VO“).

bb) Aus diesen Gründen liege auch keine Beschränkung des aktiven oder passiven Verkaufs an Endverbraucher im Sinne des Art. 4 c) EU-Verordnung 330/2010 vom 20.04.2010 vor.

III. Fazit

  1. Der EuGH sorgt für etwas mehr Klarheit für die kartellrechtliche Beurteilung von Beschränkungen des Onlinehandels im Rahmen selektiver Vertriebssysteme. Aus einer früheren Entscheidung vom 13.10.2011 (EuZW 2012, 28 – Pierre Fabre Dermo-Cosmetique) war abgeleitet worden, dass der Prestigecharakter eines Produktes kein legitimes Ziel zur Beschränkung des Vertriebs sei. Dort ging es aber um den vollständiges Verbot des Internet-Vertriebs.
  1. Vertriebspartnern von Luxusprodukten innerhalb eines selektiven Vertriebssystems kann daher ein Vertrieb über nicht autorisierte Internetplattformen (wie z.B. www.amazon.de) untersagt werden, wenn

–    objektive Kriterien für den Vertrieb über Online-Plattformen aufgestellt werden,

–    diese Kriterien innerhalb des Vertriebssystems diskriminierungsfrei gegenüber allen Vertriebspartnern angewendet werden und

–    die Kriterien geeignet und erforderlich sind, das Produktimage der Wahren zu wahren, ohne den Vertriebspartner unnötig zu beschränken.

Selbst wenn diese Voraussetzungen nicht eingehalten werden, ist jedoch eine Freistellung nach Art. 2 EU-Verordnung Nr. 330/2010 vom 20.04.2010 („Vertikal-VO“) zu prüfen.

  1. Auch nach dieser Entscheidung sehen die vertriebsrechtlichen Experten weiterhin viele ungeklärte Fragen für den Internetvertrieb.

Offen bleibt, ob die EuGH-Entscheidung nur für Luxuswaren oder auch sonstige Waren und Dienstleistungen gilt und ob für alle Waren und Dienstleistungen möglicherweise eine Freistellung nach Art. 2 Nr. 330/2010 vom 20.04.2010 in Betracht kommt. Dann könnten Plattformverbote kartellrechtlich generell freigestellt sein, wenn der Marktanteil des Vertriebsunternehmens und des Vertriebspartners nicht mehr als 30 % beträgt.

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