Das OLG Hamm hatte sich in einem Urteil vom 21.01.2016 (Az.: 18 U 35 / 13) mit der Anwendbarkeit des Ausgleichsanspruches nach § 89b HGB auf Franchisenehmer bzw. Eigenhändler zu befassen.
I. Sachverhalt
1. Die Klägerin betrieb eine Tankstelle nebst Shop und Waschanlage auf der Grundlage eines C-Tankstellen- und Store-Konzeptvertrages (nachfolgend: Tankstellenvertrag). Neben dem Verkauf der Kraftfahrstoffe hatte sie dabei einen Shop in der Tankstelle zu betreiben. Den Shop hatte sie nach dem Vertrag und Konzept der Beklagten im eigenen Namen und auf eigene Rechnung zu betreiben. Der Klägerin wurden von der Beklagten Lieferanten empfohlen, sie war jedoch vertraglich in der Auswahl frei. Auch durfte sie die Endverkaufspreise selbst festlegen, mit Ausnahme der Preise bei Agentur- und Kommissionswaren. Diese sollten neben dem üblichen Sortiment der Klägerin als sog. Aktionswaren angeboten werden. Diese Aktionswaren hatte die Klägerin als Kommissionsgeschäft im eigenen Namen, aber für Rechnung der Beklagten zu verkaufen.
Weiter wurde der Klägerin von der Beklagten eine Waschanlage überlassen. Der Betrieb erfolgte ebenfalls im eigenen Namen und auf eigene Rechnung der Klägerin. Auch hier war die Klägerin in der Wahl der Waschchemie frei, sofern sie die vorgegebenen Standards beachtete. Für die Überlassung des gesamten Geschäftsbetriebes hatte die Klägerin schließlich an die Beklagte eine (Umsatz-)Pacht zu zahlen.
Der Tankstellenvertrag enthielt damit Elemente eines Franchise-, Kommissions- und Mietvertrages.
2. Anfang 2010 kündigte die Beklagte den Tankstellenvertrag und zahlte einen Handelsvertreterausgleich in Höhe von € 53.350,00 brutto. Die Klägerin begehrte weitere Ausgleichsansprüche in Höhe von rund € 400.00,00, die sich aus dem Agenturgeschäft, Wasch-Geschäft und Shop-Geschäft berechneten. Sie begründete dies damit, dass sie im Wasch-Geschäft an die von der Beklagten empfohlenen Lieferanten und an die sonstigen Vorgaben betreffend das Marketing gebunden sei. Ihr Stammkundenumsatzanteil liege bei 77,93 %. Auch im Shop-Geschäft stehe ihr einen Ausgleichsanspruch zu, weil sie auch hier mit einem Handelsvertreter vergleichbar sei. Zudem sei sie in der Wahl der Lieferanten nicht frei gewesen. Im Shop-Geschäft verfüge sie über einen Stammkundenanteil von 68,52 %.
Die Beklagte lehnte einen Ausgleich ab, weil die Klägerin nicht in ihre Absatzorganisation einbezogen und in der Wahl ihrer Lieferanten rechtlich frei gewesen sei. Sie bestritt zudem die von der Klägerin vorgetragenen Stammkundenumsatzanteile und zahlen.
3. Mit Urteil vom 20.02.2013 hat das LG Bochum (LG Bochum, Az.: 13 O 32/11) die Klage im Wesentlichen abgewiesen. Es führte aus, dass weder das Wasch- noch das Shop-Geschäft gemäß § 89b HGB ausgleichspflichtig seien.
Im Berufungsverfahren argumentierte die Klägerin, dass das Landgericht die Preisvorgaben der Beklagten verkannt habe. Insbesondere habe ihr die Teilnahme an Sonderaktionen nicht freigestanden. Auch sei eine Vorgabe einzusetzender Wasch- und Pflegesubstanzen bestimmter Hersteller bei der Waschanlage technisch nicht erforderlich gewesen, was die Beklagte aber verlangt habe. Das Wasch-Geschäft sei daher ausgleichspflichtig.
Auch aus dem Shop-Geschäft stehe ihr ein Ausgleichsanspruch zu. Auch hier sei sie in die Absatzorganisation der Beklagten eingebunden gewesen, wie dies für Handelsvertreter typisch sei. Es existierten Preisvorgaben und umfangreiche weitere Vorgaben der Beklagten. Dies seien z. B. Vorgaben zur Warenpräsentation und deren regelmäßige Kontrollen. Die im Tankstellenvertrag erwähnte Freiheit bei der Auswahl von Lieferanten sei eine Farce.
II. Entscheidungsgründe
Das OLG Hamm bestätigte die Entscheidung des LG Bochum.
1. Beim Wasch-Geschäft könne § 89a HGB weder direkt noch analog angewandt werden.
a) Die Klägerin habe die Waschanlage nach dem Tankstellenvertrag im eigenen Namen und auf eigene Rechnung betrieben und sei kein Handelsvertreter gewesen. Egal sei, ob die Waschanlage von der Beklagten gestellt worden sei. Dies wäre nur dann anders, wenn das Wasch-Geschäft eine unselbstständige Betätigung des Tankstellengeschäftes darstelle und daher einheitlich beurteilt werden müsse. Dies sei jedoch nicht der Fall gewesen. Der Betrieb der Waschanlage gehöre in das Marketingkonzept der Beklagten, sei jedoch rechtlich und tatsächlich unabhängig vom eigentlichen Tankstellenbetrieb; er stelle ein zusätzliches Service-Angebot mit Chancen und Risiken dar, die für das Tankgeschäft nicht vorlägen. Entscheiden sich die Vertragspartner dazu, dass die Klägerin das Waschgeschäft im eigenen Namen und auf eigene Rechnung betreibe, könne Handelsvertreterrecht nicht direkt angewandt werden.
b) Zwar könne die Absatztätigkeit eines Vertrags- oder Eigenhändlers zu Ausgleichsansprüchen nach § 89b Abs. 1 HGB analog führen. Dafür seien jedoch die Voraussetzungen der Eingliederung in die Absatzorganisation des Herstellers und die Verpflichtung zur Übertragung des Kundenstammes nach Vertragsende nicht gegeben. Die Klägerin habe ein anonymes Massengeschäft betrieben. Es bestehe eine bloß faktische Kontinuität des Kundenstammes, die eine Anwendung der auf Handelsvertreter zugeschnittenen Bestimmung des § 89b HGB nicht rechtfertige. Die Klägerin sei weder vertraglich noch tatsächlich zur Übertragung des Kundenstammes der Waschanlage verpflichtet gewesen und habe eine solche Übertragung tatsächlich gar nicht vornehmen können. Soweit die Klägerin Waschkarten mit dem Versprechen einer Gratiswäsche nach einer bestimmten Anzahl von Wäschen vergeben habe, ändere dies nichts. Die Ausgabe von Waschkarten oder Bonuskarten führe nur zu einer faktischen Bindung der betreffenden Kunden. Die Kunden selbst blieben jedoch anonym.
2. Auch bezüglich des Shop-Geschäfts scheide ein Ausgleichanspruch nach § 89b HGB aus.
a) Die Beziehung zu den Shop-Geschäft-Kunden werde und dürfe von der Klägerin mit Aufgabe der Station beendet werden. Eine Verpflichtung, diese Geschäftsverbindung nach Vertragsbeendigung weiter zu geben, finde sich im Tankstellenvertrag nicht. Zudem sei auch dieser Kundenstamm im Wesentlichen anonym und als solcher nicht für die Beklagte nutzbar. Die Umsätze mit den Shop-Kunden lägen auch unter 2 % der Gesamtumsätze.
b) Letztendlich fehle es auch an der Eingliederung der Klägerin in die Absatzorganisation der Beklagten. Zwar behaupte die Klägerin, sie habe keine Möglichkeit gehabt, Art, Umfang oder Preis und sonstige wesentliche Merkmale der Leistungserbringung selbst zu bestimmen. Jedoch sei dem Senat aus anderen Verfahren bekannt, dass die Beklagte keine verbindlichen direkten Preisvorgaben mache. Ob der Klägerin möglicherweise eine Teilnahme an Aktionen zu indirekten Preisvorgaben der Beklagten aufgedrängt worden sei, denen sich die Klägerin gebeugt habe, sei unerheblich. Denn rechtlich und tatsächlich sei die Klägerin in der Lage gewesen, die Preise selbst festzulegen. All dies gelte auch für das ShopGeschäft. Auch dort habe die Klägerin die Waren im eigenen Namen verkauft. Zudem sei eine faktische Kontinuität des Kundenstammes bei einem anonymen Massengeschäft reiche nicht aus.
III. Fazit
Die Entscheidung bestätigt, dass der Handelsvertreterausgleich entsprechend § 89b HGB auf Vertragshändler und Franchisenehmer Anwendung finden kann, die anders als der Handelsvertreter ihre Waren oder Dienstleistungen im eigenen Namen und auf eigene Rechnung verkaufen.
Voraussetzung dafür ist aber,
a) dass der Vertragshändler / Franchisenehmer in die Absatzorganisation des Lieferanten / Franchisegebers eingegliedert, sich das Verhältnis also nicht in einem bloßen Verkäufer-Weiterverkäufer-Verhältnis erschöpft und
b) dass der Vertragshändler / Franchisenehmer zur Übertragung des Kundenstammes nach Vertragsbeendigung verpflichtet ist.
Handelt es sich jedoch bei dem Betrieb um ein anonymes Massengeschäft und kommt allenfalls eine bloß faktische Kontinuität des Kundenstammes nach Vertragsbeendigung in Betracht, soll nach herrschender Meinung § 89b HGB unanwendbar sein.