BGH: Unwirksamkeit eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbotes wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot

Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil vom 03.12.2015, Az. VII ZR 100/15 ein nachvertragliches Wettbewerbsvverb für einen Vertriebspartner für unwirksam erachtet.

I. Sachverhalt

Die Klägerin vermittelte verschiedene Finanzdienstleistungen, insbesondere gewerbliche und private Finanzierungen, Spar- und Anlageprodukte sowie Versicherungs- und Bausparverträge. Der Beklagte war Handelsvertreter der Klägerin (Vermögensberater) und wurde auf der Grundlage eines Vermögensberatervertrages (nachfolgend nur Vertrag) für die Klägerin tätig. Gemäß den Regelungen dieses Handelsvertretervertrages hatte sich der Kläger dazu verpflichtet,

„es für die Dauer von 2 Jahren nach Beendigung des Handelsvertreterverhältnisses zu unterlassen, der Gesellschaft Vermögensberater, andere Mitarbeiter oder Kunden abzuwerben oder dies alles auch nur zu versuchen.“

Für jeden Fall des Verstoßes war eine Vertragsstrafe in Höhe von € 25.000,00 vorgesehen. Daneben enthielt der Vertrag eine sog. salvatorische Klausel, nach der im Falle der Unwirksamkeit einer Bestimmung des Vertrages eine Regelung zugrunde gelegt werden sollte, die der ursprünglichen Bestimmung in ihrer wirtschaftlichen Zielrichtung am nächsten kommt. Das Vertragsverhältnis wurde vom Beklagten gekündigt. Einige Monate später erfuhr die Klägerin, dass der Beklagte versucht hatte, Kunden abzuwerben bzw. ihm dies sogar gelungen sei und vermutete weitere Verstöße. Die Klägerin wollte daher im Wege einer Stufenklage durch Auskunft des Klägers (1. Stufe) ermitteln, mit welchen Kunden der Klägerin in Kontakt getreten war und zu welchem Ergebnis dies geführt hatte, um später eventuelle Schadensersatzansprüche gegen den Kläger durchzusetzen (2. Stufe).

Da Klage und Berufung der Klägerin erfolglos blieben, verfolgte sie mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision ihre Anträge vor dem Bundesgerichtshof weiter.

II. Entscheidungsgründe

Auch der Bundesgerichtshof wies die Revision der Klägerin als unbegründet zurück. Ein Anspruch der Klägerin bestehe nicht, weil das nachvertragliche Wettbewerbsverbot unwirksam sein.

1. Vorliegen von Allgemeinen Geschäftsbedingungen, §§ 305 ff BGB

Zunächst stellte der Bundegerichtshof das Vorliegen von allgemeinen Geschäftsbedingungen im Sinne der §§ 305 ff. BGB fest, weil diese einseitig von der Klägerin gestellt und nicht von den Parteien ausgehandelt worden waren. Damit sei das nachvertragliche Wettbewerbsverbot nach § 307 BGB auf Angemessenheit und Transparenz zu kontrollieren.

2. Unwirksamkeit wegen fehlender Karenzentschädigung, § 307 Abs. 1 S. 1 BGB

Ob die Klausel wegen des Fehlens der Vereinbarung einer konkreten Karenzentschädigung gemäß § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam sei, obgleich sich die Verpflichtung des Unternehmers, dem Handelsvertreter für die Dauer einer Wettbewerbsbeschränkung im Sinne des § 90a Abs. 1 HGB eine angemessene Entschädigung zu zahlen, unmittelbar aus dem Gesetz ergebe (§ 90a Abs. 1 S. 3 HGB), wie es das Berufungsgericht angenommen hatte, könne aber dahinstehen. Es komme daher auch nicht darauf an, ob überhaupt von Rechtsvorschriften abgewichen werde und daher eine Inhaltskontrolle eröffnet sei, § 307 Abs. 3 S. 1 BGB.

3. Unwirksamkeit wegen fehlender Transparenz, § 307 Abs. 1 S. 2 BGB

Das nachvertragliche Wettbewerbsverbot sei in jedem Fall wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot unwirksam, § 307 BGB, weil es nicht klar und verständlich sei, § 307 Abs. 1 S. 2 BGB.

a) Das Transparenzgebot verpflichte den Verwender allgemeiner Geschäftsbedingungen dazu, den Regelungsgehalt einer Klausel möglichst klar und überschaubar darzustellen. Zudem verlange das daraus abgeleitete Bestimmtheitsgebot, dass die Klausel die wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen soweit erkennen lasse, wie dies nach den Umständen gefordert werden könne. Tatbestandliche Voraussetzungen und Rechtsfolgen müssten daher so genau beschrieben werden, dass für die Klägerin keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstünden. Hierbei sei auf die Erwartungen und Erkenntnismöglichkeiten eines durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders der Klausel im Zeitpunkt des Vertragsschlusses abzustellen.

b) Diese Voraussetzungen waren nach Ansicht des Bundesgerichtshofes nicht erfüllt. Aus der Regelung werde nicht hinreichend deutlich, ob sich das Wettbewerbsverbot nur auf solche Personen beziehe, die zur Zeit des Vertragsverhältnisses bereits Mitarbeiter oder Kunden der Klägerin gewesen sind, oder ob dies auch dann gelte, wenn diese erst nach dem Ausscheiden des Beklagten bei der Klägerin Kunden oder Mitarbeiter würden. Unklar sei auch, ob mit „Kunden“ sämtliche Personen gemeint seien, die Verträge mit der Klägerin abgeschlossen haben oder nur solche, die derartige Verträge aufgrund einer dem Beklagten zuzurechnenden Vermittlungstätigkeit abgeschlossen haben. Weiter werde nicht deutlich, ob sich das Verbot nur auf eine Ausspannung, also Veranlassung zur vorzeitigen Beendigung von Verträgen mit der Klägerin, erstrecke, oder ob es dem Beklagten auch untersagt sei, diesen Kunden zusätzlich weitere, den Produkten der Klägerin entsprechende, Versicherungsprodukte zu vermitteln.

4. Keine sog. geltungserhaltende Reduktion, § 306 BGB

Angesichts dieser Unklarheiten sah der Bundesgerichtshof die Nachteile und Belastungen für den Vertragspartner der Klägerin für nicht hinreichend erkennbar an. Zudem sei es der Klägerin ohne weiteres möglich gewesen, die Verbotsreichweite zu konkretisieren. Eine geltungserhaltende Reduktion, also Reduzierung der Klausel auf den gesetzlich zulässigen Gehalt, lehnte der Bundesgerichtshof ab, da das Transparenzgebot ansonsten ins Leere liefe. Die salvatorische Klausel sei wegen Verstoßes gegen § 306 Abs. 2 BGB und nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB nichtig, weil sich der Inhalt des Vertrages im Falle der Unwirksamkeit einzelner Bestimmungen nach den gesetzlichen Vorschriften richte, § 306 Abs. 2 BGB.

Auch für eine ergänzende Vertragsauslegung bestehe vorliegend kein Raum, weil sich im Vertrag keine eindeutigen Anhaltspunkte dafür finden ließen, wie die Vertragsparteien den Vertrag gestaltet hätten, wenn ihnen die nicht bedachte Unwirksamkeit der Klausel bewusst gewesen wäre.

III. Fazit

Die Formulierung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote in Vertriebsverträgen muss mit größter Genauigkeit erfolgen. Dies gilt bereits, wie der vorliegende Fall zeigt, für die Klarheit und Verständlichkeit der Bestimmung. Ist diese nicht gewährleistet, ist das nachvertragliche Wettbewerbsverbot bereits unwirksam. Auch die Angemessenheit, damit also die Inhaltskontrolle der nachvertraglichen Wettbewerbsabrede, ist weiterhin ein „Dauerbrenner“. Neben dem Verschuldenserfordernis, der angemessenen Höhe der Vertragsstrafe bleibt weiterhin die Frage, ob die Pflicht zur Zahlung der sog. Karenzentschädigung in der vertraglichen Bestimmung selbst enthalten sein muss. Dagegen spricht, dass dieser Anspruch bereits aus § 90a Abs. 1 S. 3 HGB folgt. Der Bundesgerichtshof hat diese Frage vorliegend offen gelassen. Auch wenn in der Literatur vielfach ein derartiges Erfordernis nicht aufgestellt wird, sollte die Rechtslage an dieser Stelle gegenwärtig als nicht geklärt gelten.

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