OLG Frankfurt – Urteil vom 12.7.2018, AZ. 11 U 96/14 – Verbot der Nutzung von Internetverkaufsplattformen (amazon.de) für den Vertriebspartner

I. Sachverhalt

1. Die Klägerin, die Coty Germany GmbH, vertreibt Markenkosmetikprodukte in Deutschland in einem selektiven Vertriebssystem auf Grundlage eines Depotvertrages. Die Beklagte vertreibt als autorisierter Einzelhändler („Depositär“) die Produkte der Klägerin sowohl in stationären Absatzstätten als auch im Internet. Zum Teil erfolgte der Internetverkauf über einen eigenen Internetshop, zum Teil auch über „amazon.de“.

2. In einer Zusatzvereinbarung zum Depotvertrag über den Internetverkauf heißt es: „Die Führung eines anderen Namens oder die Einschaltung eines Drittunternehmens, für welches die Autorisierung nicht erteilt wurde, ist dem Depositär nicht gestattet.“

3. Im Hinblick auf das Inkrafttreten der Vertikal-GVO (VO (EU) Nr. 330/2010 v. 20.4.2010) hat die Klägerin ihre Verträge überarbeitet. Dem Depositär ist es nunmehr gestattet die Produkte im Internet anzubieten und zu verkaufen. Voraussetzung sei jedoch, dass der Depositär sein Internetgeschäft als „elektronisches Schaufenster“ des autorisierten Ladengeschäfts führe und der Luxuscharakter der Produkte gewahrt bliebe. Untersagt sei ferner die erkennbare Einschaltung eines Drittunternehmens, das nicht autorisierter Depositär der Klägerin ist. Die Beklagte hat diese Vertragsänderung, die ihr von der Klägerin zur Unterzeichnung vorgelegt worden ist, nicht unterzeichnet.

3. Die Klägerin begehrt mit der Klage unter Berufung auf die geänderten Verträge, der Beklagten zu untersagen, die Produkte über die Plattform „amazon.de“ zu vertreiben. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.

4. Das OLG Frankfurt hat in der Berufung den EuGH um eine Vorabentscheidung ersucht. Der EuGH hat sinngemäß im Wesentlichen wie folgt entschieden:

a) Ein selektives Vertriebssystem für Luxuswaren, das primär der Sicherstellung des Luxusimages der Waren dient, sei zulässig, sofern die Auswahl der Wiederverkäufer anhand objektiver Gesichtspunkte qualitativer Art erfolge, die einheitlich für alle in Betracht kommenden Wiederverkäufer festgelegt und ohne Diskriminierung angewendet würden
und die festgelegten Kriterien nicht über das erforderliche Maß hinausgingen.

b) Eine Vertragsklausel, die es autorisierten Vertragshändlern eines selektiven Vertriebssystemverbietet, beim Verkauf von Vertragswaren im Internet erkennbar Drittplattformen einzuschalten, sei zulässig, wenn das System im Wesentlichen darauf gerichtet sei das Luxusimage dieser Waren sicherzustellen und auch die Klausel das Luxusimage dieser Waren sicherstellen solle. Ferner müsse die Klausel einheitlich festgelegt und ohne Diskriminierung angewandt werden sowie im angemessenen Verhältnis zu erstrebten Ziel stehen.

5. Die Berufung der Klägerin, die erstinstanzlich verloren hatte, hatte Erfolg.

II. Entscheidungsgründe

Nach Auffassung des OLG Frankfurts kann die Klägerin von der Beklagten verlangen, ihre Produkte nicht über www.amazon.de zu vertreiben. Ob davon auch reine Werbekooperationen mit www.amazon.de erfasst sind, bei denen der Kunde auf den Internetshop der Beklagten umgeleitet wird, hat das OLG nach unserer Auffassung nicht eindeutig entschieden.

1. Das OLG Frankfurt prüft zunächst das Erfordernis eines selektiven Vertriebssystems.

a) Ein selektives Vertriebssystem ist nach Art. 1 e) EU-Verordnung Nr. 330/2010 vom 20.04.2010 („Vertikal-VO“) ein Vertriebssystem, in dem sich das Vertriebsunternehmen verpflichtet, die Vertragswaren/-dienstleistungen nur an die Vertriebspartner zu verkaufen, die anhand festgelegter Merkmale ausgewählt sind, und in denen sich diese Händler verpflichten, die Vertragswaren/-dienstleistungen nicht an andere Händler zu verkaufen, die innerhalb des Vertriebsgebietes des Vertriebssystems nicht als Vertriebspartner zugelassen sind. Auch Franchisesysteme sind selektive Franchisesysteme, wenn sie diese Vorgaben bei der Auswahl der Vertriebspartner und im Franchisevertrag umsetzen (BGH, NJW 2009, 1753-1756).

Gemäß der Entscheidung des EuGH könne in Ablehnung zur früheren Rechtsprechung und in Abweichung zur Rechtssache „Pierre Fabre“ die Einrichtung eines selektiven Vertriebssystems die Sicherstellung des Luxusimages auch von solchen Waren rechtfertigen, deren Qualität nicht allein auf ihren materiellen Eigenschaften, sondern auch auf ihrem Prestigecharakter beruhe, der ihnen eine luxuriöse Ausstrahlung verleihe.

b) Maßgeblich für die Beurteilung, ob ein Luxusimage vorliegt, solle die Sicht des Verbrauchers sein. Nur wenn dieser die luxuriöse Ausstrahlung als solche wahrnehme und wertschätze, sei es in seinem Interesse, dass diese geschützt werde. Nur dann überwögen für den Verbraucher die Vorteile eines zum Schutz des Luxusimages eingerichteten selektiven Vertriebssystems gegenüber den damit einhergehenden Wettbewerbsbeschränkungen insbesondere hinsichtlich des Preiswettbewerbes. Das erforderliche Luxusimage beruhe im Wesentlichen auf entsprechenden Marketingaktivitäten des Herstellers. Er lade das Produkt durch Marketingmaßnahmen mit einer von den Nachfragern geschätzten Konnotation auf, die über die rein funktionale Bedeutung des Produkts hinausgehe und führe so eine Produktdifferenzierung durch. Produktbezogene Marketingaktivitäten des Herstellers seien ebenso wie die Platzierung der Produkte in einem hochwertigen Marktsegment eine wesentliche Grundlage für die Etablierung eines Luxuscharakters. Insoweit liege es zunächst in der Entscheidungskompetenz des Markeninhabers, ob er für bestimmte Marken einen Luxusanspruch formuliere und diesen durch entsprechende Maßnahmen weiter aufbaue.

c) Bestehe ein solches Luxusimage für eine Produktlinie insgesamt, werde es auch nicht dadurch beeinträchtigt, dass ein einzelnes Produkt der Produktlinie nicht das Kriterium der Hochpreisigkeit erfülle.

2. Weiter gelangt das OLG Frankfurt zu der Auffassung, dass aufgestellten Qualitätskriterien zum Vertrieb auch von der Klägerin einheitlich und dem diskriminierungsfrei angewandt würden.

a) Das Luxusimage werde nicht zwingend dadurch beeinträchtigt, dass die Produkte in nicht unerheblichem Umfang (durch Dritte) auf der Plattform www.amazon.de zum Verkauf angeboten würden und auch immer wieder bei Discountern verfügbar seien, die nicht die vom Vertreiber des selektiven Vertriebssystems aufgestellten Qualitätskriterien erfüllten. Die Rechtswirksamkeit eines selektiven Vertriebssystems hänge nicht davon ab, dass der Hersteller imstande sei, dessen Lückenlosigkeit zu gewährleisten. Dies sei jedenfalls dann der Fall, wenn den Lücken im Vertriebsnetz eine nachvollziehbare und willkürfreie Vertriebspolitik zu Grunde liege.

b) Auch der Umstand, dass der Vertreiber des selektiven Vertriebssystems den Verkauf ihrer Produkte in Flugzeugen und an Flughäfen in einem Umfeld zulasse, in dem auch „Billigprodukte“ verkauft würden, stellt aus Sicht des OLG Frankfurt die diskriminierungsfreie Anwendung des selektiven Vertriebssystems nicht infrage. Der Grund liege darin, dass sich dabei um eine branchenübliche Fortsetzung des früheren Duty-free-Verkaufs handele. Auch wenn eine Flugreise heute nicht mehr per se als etwas Besonderes wahrgenommen werde, halte der zwingend an den Kauf eines Flugtickets gekoppelte Airline- und Flughafenvertrieb doch genügend Abstand vom allgemeinen Verkauf in einem außerhalb von Flughäfen gelegenen Laden oder jedermann zugänglichen Internetangebot. Dadurch erscheine eine Gefährdung des Luxusimages fernliegend. Soweit in Flugzeugen auch billige Nahrungsmittel angeboten würden, diene dies dem Zweck eines aktuellen Bedarfs des Reisenden, der in einem Flugzeug zwangsläufig nicht anders gedeckt werden könne. Demgegenüber sei das frühere Duty-free-Angebot, zu dem auch die Produkte der Klägerin gehörten, hiervon klar unterscheidbar.

c) Auch das Angebot stationärer Shopping-Malls sei mit dem Angebot auf einer Internetplattform nicht vergleichbar. Soweit auch hier die Produkte unter einem Dach mit Waren aller Art angeboten würden und dies auch in einem Umfeld geschehe, das einen anderen Namen als den des Depositärs trage, bestehe schon aufgrund der räumlichen Ausdehnung aus Sicht des Verbrauchers ein gewisser Abstand zwischen den verschiedenen Verkaufsstellen, weshalb diese als eigenständig wahrgenommen würden. Die vom Vertreiber des selektiven Vertriebssystems für stationäre Absatzstätte aufgestellten Qualitätskriterien seien hier ohne weiteres einhaltbar.

d) Schließlich könne auch bei Internetseite www.google-shoppingd.de anders als bei www.amazon.de bei der sichergestellt werden, dass die Kunden bei Kaufabsicht auf den eigenen, den Qualitätsanforderungen des Vertreibers des selektiven Vertriebssystems entsprechenden, Internetshop weitergeleitet würden. Daher stelle die Zulassung eines Angebots der Produkte über diese Website keine Diskriminierung von Händlern dar, denen der Vertrieb über die Internetplattform „amazon.de“ untersagt werde.

3. Das OLG Frankfurt bejaht abschließend auch die Angemessenheit der Vertriebskriterien, das Produktimage zu wahren und gleichzeitig nicht unnötig die Interessen des Vertriebspartners (Depositärs) zu beschränken. Es verweist dabei auf den EuGH, der jene Frage bejaht hatte.

a) Zur Begründung führte der EuGH aus, dass durch die Bindung der Waren im elektronischen Handel ausschließlich an autorisierte Händler die Qualität und das Luxusimage der Waren sichergestellt werden könne. Zudem erlaube das Verbot dem Anbieter eine leichtere Überprüfung und Durchsetzung der für den Internetverkauf vereinbarten Qualitätsanforderungen. Demgegenüber berge ein Verkauf über nicht zum selektiven Vertriebssystem gehörende Plattformen die Gefahr einer Verschlechterung der Präsentation der Waren im Internet und damit einer Beeinträchtigung des zu ihrem Wesen gehörenden Luxusimages. Der Verkauf ausschließlich in Onlineshops autorisierter Händler trage gerade zum Luxusimage bei den Verbrauchern bei.

b) Zur Beantwortung der Frage, ob die Klausel auch nicht über das zur Erreichung des angestrebten Zwecks Erforderliche hinausgehe, betonte der EuGH, dass anders als in der Rechtssache „Pierre Fabre“, der Verkauf von Vertragswaren über das Internet nicht pauschal verboten werde. Vielmehr sei der Verkauf über eigene Webseiten und nicht für den Verbraucher als solche erkennbare Drittplattformen zulässig. Wegen einer fehlenden Vertragsbeziehung zwischen dem Vertriebsunternehmen und den Drittplattforme könne der Anbieter auch nicht die Einhaltung der den autorisierten Händlern auferlegten Qualitätsanforderungen durchsetzen. Daher könne auch unter der Voraussetzung, dass Plattformen die vordefinierten Qualitätsanforderungen erfüllten die Gestattung ihrer Einschaltung nicht als ebenso wirksam angesehen werden.

III. Fazit

Die Entscheidung stellt noch einmal klar, dass ein selektives Vertriebssystem auch mit einem intendierten Luxusimage der Waren begründet werden kann.
Das Luxusimage legitimiert dazu, den Vertrieb zum Erhalt dieses Images einzuschränken und auf bestimmte Verkaufskanäle zu begrenzen, solange sich die Beschränkung willkürfrei auf dieses Ziel zurückführen lasse. Selbst kleine Lücken in der Einhaltung gegenüber einem autorisierten Einzelhändler vordefinierter Qualitätsanforderungen rechtfertigten es demnach nicht, von der Beschränkung der Verkaufskanäle abrücken zu müssen.

Gleichwohl bleibt die Frage nach wie vor ungeklärt, ob sich die Zulässigkeit des Vertriebs über dritte Internetplattformverboten alleine auf Luxuswaren beschränkt oder auch auf andere Waren Anwendung findet.

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