OLG Dresden: Vorvertragliche Aufklärungspflichtverletzung eines Franchisegebers durch Angabe geschätzter Umsatzzahlen

Das OLG Dresden hat sich in seinem Urteil vom 18.06.2016, Az. 10 U 1137/15 mit den vorvertraglichen Aufklärungspflichten eines Franchisegebers bei Angabe geschätzter Umsatzzahlen beschäftigt.

I. Sachverhalt

1. Der klagende Franchisenehmer, ein promovierter Biologe, forderte von der beklagten Franchisegeberin die Erstattung der Eintrittsgebühr in Höhe von ca. € 23.000,00. Die Beklagte betreibt ein Franchisesystem im Bereich Krankenfahrdienste.

2. Der Kläger wurde auf einer Messe auf das Franchisesystem der Beklagten aufmerksam, auf der eine „Ertragsvorschau“ für die Eröffnung eines Franchisebetriebes präsentiert wurde. Auf seine Bitte, ihm diese Ertragsvorschau zukommen zu lassen, wurde ihm durch die Beklagte mitgeteilt, er solle sich an den mit der Beklagten zusammenarbeitenden Unternehmensberater wenden.Dieser sandte dem Kläger daraufhin die Ertragsvorschau zu. Die Ertragsvorschau enthielt nach dem Vortrag der Franchisegeberin Durchschnittserlöse pro Fahrt des (geplanten) Krankenfahrdienstes (Umsatzwerte), die die Beklagte nach ihren Angaben anhand von Umsätzen und Auftragszahlen eines Referenzunternehmens selbst errechnet, an die regionalen Verrechnungssätze der Kassen für Transporte angepasst und an den Unternehmensberater weitergeleitet habe. Die Franchisegeberin war daher der Auffassung, dass sie ein „realistisches Kalkulationsbeispiel“ genannt habe. Einen Hinweis darauf, dass die Ertragsvorschau nur auf Schätzungen der Beklagten ausgehend von Zahlen eines einzelnen Referenzunternehmens in einer anderen Region beruhte, erteilte die Beklagte nicht.

3. Auf der Grundlage der erhaltenen Ertragsvorschau erstellte der Kläger einen Geschäftsplan sowie einen Investitions- und Liquiditätsplan. Nach Abschluss des Franchisevertrages musste der Kläger feststellen, dass die von der Beklagten in der Ertragsvorschau mitgeteilten Umsätze nicht erreicht werden konnten. Hauptgrund hierfür waren nach Ansicht des Klägers das Fehlen von Rahmenverträgen für Krankentransporte mit den Krankenkassen.

4. Der Kläger machte deshalb gegenüber der Beklagten Schadensersatz wegen der Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten in Höhe der von ihm gezahlten Eintrittsgebühr geltend, §§ 311 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB. Die Beklagte erklärte, dass die Ertragsvorschau auf konkrete, nachvollziehbare und überprüfbare Abrechnungsdaten abgestellt habe und dem Unternehmensberater als mögliche Kalkulationsgrundlage exemplarisch überlassen worden sei. Zudem habe sich der Kläger mittels seines von ihm erstellten Investitions- und Liquiditäts- sowie Geschäftsplanes hinreichend darüber informiert, welche Umsätze und Zahlungen von Kassen für sein Vertragsgebiet realistisch seien. Es fehle daher an der Kausalität für den Schaden des Klägers im Falle einer unterstellten Aufklärungspflichtverletzung der Beklagten.

II. Entscheidungsgründe

Das OLG Dresden bestätigte die Entscheidung des LG Dresden und bejahte ebenfalls eine vorvertragliche Aufklärungspflichtverletzung der Beklagten. Die Franchisegeberin wurde daher zur Rückzahlung der Eintrittsgebühr verurteilt.

1. Die Beklagte sei verpflichtet gewesen, den potentiellen Franchisenehmer vor Abschluss des Franchisevertrages über die Rentabilität des Franchisesystems auf insgesamt zutreffender Tatsachenbasis aufzuklären. Die Rentabilität des Franchisesystems sei im Vorfeld des Vertragsschlusses von besonderer Bedeutung für den Franchisenehmer. Der Umfang der Aufklärungspflichten des Franchisegebers bestimme sich nach den spezifischen Umständen des jeweiligen Einzelfalles in Abhängigkeit vom konkreten vorvertraglichen Informationsbedarf des jeweiligen potentiellen Franchisenehmers. Tätige der Franchisegeber jedoch Angaben zu erzielbaren Umsätzen, müsse das von ihm hierfür verwendete Datenmaterial auf einer sorgfältigen Untersuchung des Marktes der jeweiligen Branche nebst ihren Eigenheiten beruhen, auf den konkreten Standort ausgerichtet sein und dürfe nicht lediglich den Charakter einer Schätzung aufweisen. Handele es sich lediglich um eine Schätzung, müsse der Franchisegeber hierauf eindeutig hinweisen.

2. Diesen Anforderungen sei die Beklagte nicht gerecht geworden.

a) Der von der Beklagten erstellten Ertragsvorschau sei nicht zu entnehmen gewesen, dass der Umsatzprognose lediglich Krankentransporte eines Referenzunternehmens innerhalb eines kurzen Zeitraumes zugrunde gelegt worden sind und die Beklagte die dabei erzielten Umsätze unter Heranziehung von höheren Tarifen hochgerechnet habe. Die Ertragsvorschau habe den Charakter einer groben Schätzung gehabt und könne daher nicht ansatzweise Grundlage einer verlässlichen Einschätzung der Rentabilität des Krankenfahrdienstes sein. Es sei daher unerheblich, ob die in der Ertragsvorschau angegebenen Umsätze zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses zwischen den Parteien im Vertragsgebiet tatsächlich hätten erzielt werden können. Ein Sachverständigengutachten müsse über diese Frage daher nicht eingeholt werden.

b) Soweit die Beklagte in der Ertragsvorschau darauf hingewiesen habe, dass „die Hochrechnung keine Garantie für tatsächlich erzielbare Umsätze und Erträge“ sei und „die Erreichung in hohem Maße vom Standort und vom erfolgreichen Engagement des Franchisepartners“ abhänge, sei dies kein Hinweis darauf, dass die Ertragsvorschau den Charakter einer groben Schätzung habe. Es komme daher auch nicht darauf an, ob die Beklagte den Kläger richtig über die Existenz von Rahmenverträgen mit den Krankenkassen aufgeklärt habe.

3. Die Pflichtverletzung der Beklagten sei auch kausal für den Schaden des Klägers gewesen. Ausreichend sei bereits eine Mitursächlichkeit. Der Kläger habe gegenüber der Beklagten mitgeteilt, dass die Ertragsvorschau der Beklagten Basis des von ihm erstellten Investitions- und Liquiditätsplanes und Geschäftsplanes gewesen sei. Es sei plausibel, dass der Kläger sich gegen einen Vertragsschluss mit der Beklagten entschieden hätte, wenn diese ihn darüber aufgeklärt hätte, dass die Ertragsvorschau lediglich deutlich geringere Durchschnittserlöse eines Referenzunternehmens zugrunde lagen. Unsicherheiten darüber, wie sich der Kläger bei pflichtgemäßer Aufdeckung durch die Beklagte verhalten hätte, gingen zu Lasten der Beklagten.

4. Auch ein Mitverschulden des Klägers lag nach Ansicht des OLG Dresden nicht vor. Es liege allein im Verantwortungsbereich der Beklagten realistische und auf Tatsachen beruhende Umsatzzahlen in ihre vorvertraglichen Informationen einzubeziehen. Der Kläger habe somit darauf vertrauen dürfen, dass die ihm zur Verfügung gestellte Ertragsvorschau auf einer hinreichend belastbaren Datengrundlage beruhte.

III. Fazit

Die Entscheidung des OLG Dresden, die sich überwiegend an dem Urteil des OLG Düsseldorf vom 20.10.2013 (Az. 22 U 62/13) orientiert, zeigt erneut, dass Franchisegeber im Rahmen der vorvertraglichen Aufklärung äußerste Vorsicht bei der Mitteilung von erzielbaren Umsätzen und anfallenden Kosten walten lassen müssen. Basieren die Daten lediglich auf Schätzungen, muss der Franchisegeber hierauf deutlich hinweisen. Weiterhin ungeklärt bleibt, ob Schätzungen überhaupt zulässig sind, wenn Franchisebetriebe mit tatsächlichen Umsatz- und Kostenzahlen vorhanden sind. Aus der Entscheidung des OLG Dresden lässt sich auch (mittelbar) entnehmen, dass Franchisegeber, die Dritte (z.B. Unternehmensberater) im Rahmen der vorvertraglichen Aufklärung einschalten, sich deren Angaben zurechnen lassen müssen, § 278 BGB.

Siehe auch einstweilige Verfügung Airberlin

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