LG Berlin, Urteil vom 09.11.2000 – 13 0 257/97 – („Sunpoint“)

Leitsätze der Red.:

1. Der Franchisegeber haftet dem Franchisenehmer auf Schadensersatz wegen des Fehlens einer Standortanalyse,  wenn der Franchisenehmer durch die Art und Weise des Vertragsschlusses und des Klassifizierungssystems des Franchisegebers von der vorherigen Erstellung einer Standortanalyse ausgehen durfte.

2. Der Franchisegeber muß sich das Verschulden des Vermittlers des Franchisevertrages nach § 278 BGB zurechnen lassen.

Tatbestand:

Der Kläger schloss am 19. Juni 1995 mit der zwischenzeitlich zur Beklagten verschmolzenen Sunpoint-Freizeitanlagen GmbH eine als Partnerschaftsvertrag bezeichnete Vereinbarung über den Betrieb eines Sonnenstudios (…) durch den Kläger als Franchisenehmer der Beklagten. Der Kläger verpflichtete sich u. a. zur Zahlung einer einmaligen und laufender Franchisegebühren. (…) Die Wahl des Standortes des Sonnenstudios, das Geschäftslokal und der Umfang der Ausstattung mit fünf Bräunungseinrichtungen wurden dem Kläger von der Beklagten vorgegeben. Eine konkrete Standortanalyse für diesen Standort existierte nicht. (…) Vor Vertragsschluss legte der als Vertragsvermittler tätige H dem Kläger eine „monatliche Betriebskostendarstellung“ vor, die sich auf „Gesamtkosten monatlich netto: 21.518,00 DM“ summierte. Die Kosten eines vor Betriebsaufnahme durchzuführenden Innenausbaus veranschlagte Herr Henke mit netto 89.000,00 DM. Er erstellte auf der Grundlage von fünf Bräunungsliegen eine als „Rentabilitätsberechnung“ bezeichnete Aufstellung, in der auf der Basis einer in den ersten sieben Monaten sich von 20 auf 39 % steigernden Auslastung nach anfänglichen Verlusten von rund 3.500,- DM im ersten und 4.500,- DM im zweiten Monat ab dem dritten Monat ein sich bis zum siebten Monat auf monatlich rund 13.500,- DM steigernder Nettogewinn errechnet ist. (…) Am 27. Januar 1996 nahm der Kläger den Geschäftsbetrieb auf. Mit Schreiben vom 6. September 1996 kündigte die Sunpoint den Franchise- und den Untermietvertrag fristlos. Der Kläger widersprach den Kündigungen und gab die Räume nebst Inventar am 17. September 1996 zurück. Mit Schreiben vom 6. Januar 1997 forderte er die Sunpoint unter Fristsetzung bis zum 29. Januar 1997 vergeblich zum Ausgleich eines auf 1.562.480,-DM bezifferten Schadens auf.(…)

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage hat in der Sache nur teilweise Erfolg. Der Kläger (Franchisenehmer, Anm. d. Red.) kann von der Beklagten (Sunpoint, Anm. d. Red.) aus Verschulden bei bei der Anbahnung von Vertragsverhältnissen Schadenersatz in Höhe von 46.526,89 DM verlangen.

Die Beklagte haftet dem Kläger, weil Herr H. diesen vor Abschluss des Vertrags nicht auf das Fehlen einer Standortanalyse hingewiesen hat. Die Beklagte muss sich gemäß § 278 BGB das Verschulden des Herrn H. zurechnen lassen, weil er für sie den Abschluss des Vertrages vermittelt und vorbereitet hat.

Herr H. war verpflichtet, den Kläger auf das Fehlen einer Standortanalyse hinzuweisen, weil der Kläger durch die Art und Weise des Vertragsschlusses und insbesondere die unbestritten von der Sunpoint insoweit gemachten Vorgaben davon ausgehen musste, dass dem projektierten Sonnenstudio eine Standortanalyse zugrunde lag. Denn nachdem die Sunpoint ihre Studios in die Kategorien „klein“, „mittel“ und „groß“ einteilt und das streitbefangene Studio mit seiner Größe von 144 qm und fünf Bräunungsgeräte als „groß“ im Sinne der Klassifizierungen der Sunpoint anzusehen ist, musste der Kläger annehmen, dass der Sunpoint Erkenntnisse darüber vorlagen, dass der gewählte Standort einen Umsatz erwarten ließ, bei dem sich auch ein großes Sonnenstudio rentierlich betreiben lässt. Die Kammer vermag nicht festzustellen, dass die Sunpoint insoweit eine über das System „try and error“ hinausgehende Erkenntnisgrundlage für die Umsatzstärke des Standortes hatte. Die Beklagte hat sich darauf beschränkt zu behaupten, daß lediglich eine Beispielsrechnung für den Fall der Bewegung des Marktes in eine nicht näher mitgeteilte Richtung erstellt worden sei. Es kommt nicht darauf an, dass mit dem System „try and error“ bereits nachhaltige Geschäftserfolge erzielt worden sind. Maßgeblich ist, dass unter diesen Voraussetzungen der Franchisenehmer über den Umfang der Erkenntnisse für die voraussichtlichte Eignung des Standortes aufzuklären ist (vgl. OLG Rostock, Urteil vom 29. Juni 1995, 1 U 293/94, juris KORE 498119500 = OLGR Rostock 1996, 13 f.), weil ihm die Möglichkeit eröffnet werden muss, selber zu entscheiden, ob er sich auf ein unbestreitbar vorhandenes erhebliches Risiko einlassen will.

Die Beklagte hat dem Kläger alle auf Grund des Vertragsschlusses getätigten Aufwendungen zu erstatten. Denn sie hat ihn gemäß § 249 BGB so zu stellen, wie er stünde, wenn er den Vertrag nicht geschlossen hätte. Er hat unbestritten behauptet, dass er bei Aufklärung über das Fehlen einer Standortanalyse den Vertrag nicht geschlossen hätte.

Der Kläger hat lediglich Aufwendungen in Höhe von 154.884,39 DM dargelegt, auf die er sich die auf Grund des Vertragsschlusses nach seinem eigenen Vortrag erzielten Einnahmen in Höhe von 110.053,50 DM anrechnen lassen muss. Im Hinblick auf das Fehlen jeglichen Vortrags bezüglich einer Umsatzsteuerpflicht und Vorsteuerabzugsberechtigung des Klägers hat die Kammer ihren Berechnungen die Bruttobeträge zugrundegelegt. Dies dürfte im Ergebnis jedoch nichts ändern, da von den Ausgaben eine Vorsteuerabzugsberechtigung nur in dem Umfang abgezogen werden kann, in dem der Kläger zur Abführung von Umsatzsteuer verpflichtet war und die Einnahmen des Klägers hinter seinen Ausgaben zurückbleiben.

Die Aufwendungen für die behördlichen Genehmigungen (1.-3.) sind ebensowenig bestritten worden wie die Belastung des Beklagten aus der Mietbürgschaft für rückständige Mieten (20.). Die Mietzahlungen an die Beklagte (21.) und die Stromkosten (22.) sind ebenso unstreitig wie die Franchiseeinstiegsgebühr. Auch die Verpflichtungen für die Betriebs- und Betriebshaftpflichtversicherung (5.-6.) sind unbestritten, aber bezüglich ersterer (5.) hat der Kläger lediglich Zahlungen in Höhe von 843,- DM dargelegt. Er hat weiter dargelegt, die durch Vermittlung der Sunpoint begründeten Leasingzahlungen sowohl bezüglich der Sonderzahlung (7.) als auch bezüglich der Raten (8.) bis einschließlich September 1996 erbracht zu haben. Die durch die Umbauten (9.-14.) erfolgten Veränderungen des Studios sind der Beklagten als Hauptmieterin bekannt, zumal sie unbestritten vorgegeben hat, welche Umbauten der Kläger von wem vornehmen lassen müsse. Auf Grund der aussagekräftigen Rechnungen ist das schlichte Bestreiten der Verbindlichkeiten durch die Beklagten nicht hinreichend substantiiert. Auch der behauptete Zahlungsfluss ist durch die vorgelegten Bankauszüge bzw. die quittierte Rechnung belegt und von der Beklagten insoweit auch nicht mehr angegriffen worden. Allerdings ist bezüglich der Position Wand- und Deckenausbau (11.) nur ein Zahlungsfluss in Höhe von 3.683,03 DM belegt. Die Werbezettelverteilung (16.) ist durch eine aussagekräftige quittierte Rechnung belegt, und die Beklagte hat nicht bestritten, bei der Rückgabe der Räume Waren zu einem Einkaufspreis in Höhe von 3.180,78 DM übernommen zu haben. Hingegen fehlt es bezüglich der Position Studioausstattung (12.) an jeder Darlegung eines Zahlungsflusses.

Soweit der Kläger in seine Schadensberechnung unbezahlte Verbindlichkeiten als Schadenspositionen eingestellt hat, kann er von der Beklagten schon deswegen keinen Schadensersatz in Geld verlangen, weil dei Voraussetzungen der §§ 249 Satz 2, 250, 251 BGB nicht erfüllt sind. Insoweit kann der Kläger allenfalls verlangen, dass die Beklagte ihn von diesen Verbindlichkeiten freistellt. Dies gilt insbesondere auch für das Darlehen in Höhe von 50.000,- DM, so dass es nicht mehr darauf ankommt, dass nicht ersichtlich ist, inwieweit die Valuta zur Begleichung von Forderungen herangezogen ist, für die bereits oben eine Schadensersatzpflicht der Beklagten ausgesprochen worden ist. Der Kläger kann insoweit nicht beides verlangen.

Der Zinsanspruch folgt aus den §§ 284, 288 BGB.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO. Die Quote kann nicht nach dem Verhältnis zwischen erlangtem und eingeklagtem Betrag gebildet werden, da die Klageabweisung über die bloße Differenz hinausgeht und bis zur Höhe des festgesetzten Streitwertes alle weiteren geltend gemachten Hilfsbegründungen des Klägers für die eingeklagte Forderung erschöpft.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.

Der Schriftsatz vom 11. Oktober 2000 darf gemäß § 296 a ZPO nicht berücksichtigt werden. Veranlassung zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung besteht schon deswegen nicht, weil nicht ersichtlich ist, warum der Kläger die darin zur weiteren Hilfsbegründung seines Anspruchs eingeführten Forderungen nicht schon bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung in den Rechtsstreit hätte einführen können. Sein Hinweis auf den Verbleib der Unterlagen bei seinem Steuerberater verfängt schon deswegen nicht, weil der Kläger gleichwohl in der Lage war, seine laufenden Betriebskostenausgaben darzustellen und insoweit Behauptungen aufzustellen. Dann ist aber nicht ersichtlich, warum er nicht in der Lage gewesen sein soll, die über die Miet- und Leasingzahlungen hinausgehenden laufenden Aufwendungen zum Gegenstand der Klageforderung zu machen, wie er es erst mit dem Schriftsatz vom 11. Oktober 2000 getan hat. Darauf, dass Bedenken hinsichtlich der Darlegung der Höhe der behaupteten Ausgaben bestehen, ist der Kläger schon im Beschluss der Kammer vom 27. Juli 1999 aufmerksam gemacht worden, und die Beklagte hatte schon im Schriftsatz vom 22. Juni 1999 darauf hingewiesen, dass der Kläger sich die Einnahmen anrechnen lassen muss.

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