BGH, Urteil vom 11.10.2018, Az. VII ZR 298/17 – Anspruch des Lizenzgebers auf Zahlung von Gebühren und Kosten aus einem Lizenzvertrag

B) BGH, Urteil vom 11.10.2018, Az. VII ZR 298/17 – Anspruch des Lizenzgebers auf Zahlung von Gebühren und Kosten aus einem Lizenzvertrag – Nichtigkeit eines Lizenzvertrages aufgrund der Umgehung von arbeitsrechtlichen Schutzvorschriften durch Scheinselbständigkeit

 

  1. Sachverhalt (vereinfacht)

  1. Die Klägerin ist selbständige Maklerin und Master-Franchisenehmerin für den Standort B. Sie war berechtigt, Lizenzen an Dritte (Franchisenehmer) zu vergeben, die dann nach dem sog. Lizenzvertrag (rechtlich wohl eher: Franchisevertrag) ebenfalls als selbständige Makler tätig werden und Unterstützungs- und Managementleistungen der Klägerin als R. Franchisenehmer erhalten sollten.

Der beklagte Franchisenehmer hatte für fixe und variable Kosten monatliche Beiträge an die Klägerin zu zahlen und außerdem einen Teil der Provision an die Klägerin abzuführen. Nach § 2 des Lizenznehmervertrages war der Beklagte verpflichtet, seine berufliche Tätigkeit als selbständiger Immobilienmakler im eigenen Namen und für eigene Rechnung mit eigenem Kapitaleinsatz  im Gemeinschaftsbüro der Klägerin aufzunehmen.

  1. Gemäß § 6.2 des Lizenzvertrags sollte jedoch die Klägerin im Außenverhältnis zu den Kunden im eigenen Namen, im Innenverhältnis jedoch für Rechnung des Beklagten die Geschäftsbeziehungen zu den Kunden des Beklagten abwickeln. Zudem war in § 6.3 des Lizenzvertrags geregelt, dass allein die Klägerin die Inkassovollmacht in Bezug auf Provisionen und Vergütungen des Lizenznehmers besitzt. Die Klägerin war nach § 6.5 des Lizenzvertrags verpflichtet, dem Beklagten die von diesem in Rechnung gestellten Provisionen unverzüglich nach Eingang der Zahlung seitens des Kunden zu überweisen.

Gemäß § 8 des Lizenznehmervertrags sollte der Beklagte für alle von ihm abgeschlossenen provisionspflichtigen Geschäfte einen Provisionsanteil von 20 % an die Klägerin zahlen, die ihrerseits einen Provisionsanteil an den Master-Franchisegeber R.D. abzuführen hatte. Der Beklagte hatte außerdem bestimmte Kosten monatlich zu übernehmen. Die Klägerin war nach § 8.4 des Lizenznehmervertrags berechtigt, diese monatlichen Gebühren von den vom Beklagten verdienten Provisionen einzubehalten.

  1. Da der Beklagte nicht über Eigenkapital verfügte, vereinbarten die Parteien für die ersten sechs Monate der Vertragslaufzeit abweichend von § 8 des Lizenzvertrags, dass der Beklagte der Klägerin eine monatliche Kostenpauschale von € 160,00 zahlen und lediglich die notwendigen Werbemaßnahmen, die persönlichen verbrauchsabhängigen Kosten und die Kosten für die Anzeigenschaltung selbst übernehmen sollte. Dafür sollte die Provisionsregelung in diesem Zeitraum 48 % zu 52 % zugunsten der Klägerin sein. Eine weitere Zusatzvereinbarung ermöglichte es dem Beklagten, die an ihn gerichteten Rechnungen der Klägerin innerhalb des ersten Jahres je nach seinen finanziellen Möglichkeiten zu begleichen.

  1. Die Tätigkeit des Beklagten verlief erfolglos.

Im November 2014 hoben die Parteien den Lizenzvertrag einvernehmlich rückwirkend zum 31.10.2014 auf. Die Klägerin stellte dem Beklagten für die Monate März bis Oktober 2014 weitere Kosten in Höhe von 5.698,02 € in Rechnung, die nach Verrechnung gegen Provisionsansprüche des Beklagten in Höhe eines Restbetrages € 3.654,81 gerichtlich geltend gemacht wurden. Der Beklagte wendete ein, der Vertrag sei sittenwidrig, weil er nicht selbständig handeln, sondern nur „scheinselbständig“ nach außen als Makler habe auftreten können.

  1. Das Amtsgericht hat auf die Klage der Master-Franchisenehmerin den Beklagten zur Zahlung eines Betrags von 3.411,74 € zuzüglich Zinsen verurteilt. Auf die Berufung des Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision wollte die Klägerin die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils erreichen.

  1. Entscheidungsgründe

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat der Revision der Klägerin stattgegeben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen (vgl. § 563 ZPO).

  1. Nach Ansicht des BGH könne auf der Grundlage der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung keine Nichtigkeit des Lizenzvertrags angenommen werden.

Die Auffassung des Berufungsgerichts, es handele sich wegen der Scheinselbständigkeit des Beklagten um ein nichtiges Umgehungsgeschäft, sei unzutreffend. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist nach Ansicht des BGH ein Vertrag nicht wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot unwirksam. Eine Umgehung der arbeitsrechtlichen Schutzvorschriften betreffend den Kündigungsschutz (§§ 1 ff. KSchG), die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall (§ 3 EntgeltFG) sowie die Pflicht zur Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen und Lohnsteuer (§ 28e SGB IV, § 41a EStG) führe nicht zur Nichtigkeit des Vertrags.

Diese Bestimmungen finden vielmehr gerade unabhängig von einer Umgehungsabsicht der Parteien beim Abschluss des Vertrags Anwendung, wenn ihre Voraussetzungen erfüllt sind.

Es könne daher dahinstehen, ob ein Vertrag über die Ausübung einer selbständigen Tätigkeit oder ein Arbeitsvertrag vorliege. Dies sei anhand einer Gesamtwürdigung aller maßgebenden Umstände des Einzelfalls zu ermitteln. Im Falle eines Widerspruches zwischen der Vereinbarung und der tatsächlichen Vertragsdurchführung, sei die Vertragspraxis maßgeblich.

  1. Eine Nichtigkeit des Lizenzvertrags sei daher nur dann gegeben, wenn der Einwand des Beklagten durchgreife, dass der Vertrag als sittenwidrig zu bewerten sei, § 138 BGB.

Dies komme dann in Betracht, wenn der Beklagte als selbstständig tätiger Franchisenehmer anzusehen sei und der Franchisevertrag wegen einer Vielzahl der den Franchisegeber einseitig begünstigenden und den Franchisenehmer einseitig benachteiligenden Bestimmungen den Franchisenehmer übermäßig in seiner wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit beeinträchtige, ohne ihm hierfür einen auch nur annähernd angemessenen Ausgleich zu gewähren (vgl. BGH, Urteil vom 12. November 1986 – VIII ZR 280/85, BGHZ 99, 101, juris Rn. 10; Urteil vom 7. Januar 1993 – IX ZR 199/91, NJW 1993, 1587, juris Rn. 19 m.w.N.). Hierfür sei eine Gesamtwürdigung der vertraglichen Vereinbarung und der zum Vertragsschluss führenden Umstände erforderlich. Indizien für eine sittenwidrige Knebelung des Franchisenehmers könnten hier sein:

  • die Vereinbarung einer Inkassovollmacht zugunsten des Franchisegebers, durch die der Zahlungsverkehr auf den Franchisegeber umgeleitet worden sei, sowie
  • alle Einschränkungen im Franchisevertrag, die über die für ein solches Vertriebssystem typischen Einschränkungen der wirtschaftlichen Freiheit des Franchisenehmers hinausgingen.
  1. Das Berufungsgericht werde darüber zu entscheiden haben.

III.        Fazit

Der Bundesgerichtshof stellt klar, dass die Umgehung arbeits- und sozialversicherungsrechtlicher Vorschriften nicht nur Nichtigkeit eines Franchisevertrages, sondern vielmehr – soweit die Voraussetzungen vorliegen – zur Anwendbarkeit der arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen Schutzvorschriften führe.

Der Franchisevertrag insgesamt könne dabei nur dann nichtig sein, wenn der Fall der Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB gegeben sei, also wenn in die wirtschaftliche Freiheit des Franchisenehmers unangemessen und stark benachteiligend durch den Franchisevertrag eingegriffen werde. Dies wird in der Praxis aber regelmäßig ein absoluter Ausnahmefall bleiben.

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