OLG Hamburg: Urteil vom 22.03.2018, Az. 3 U 250/16 – Verbot des Internetvertriebs über eBay im Rahmen selektiver Vertriebssysteme

I. Sachverhalt

1. Die Klägerin vertreibt im Rahmen eines geschlossenen, also selektiven Vertriebssystems über das Internet besonders reinhaltige natürliche Kosmetika etc.. Dafür betreibt sie einen hohen Marketingaufwand und erzielt einen jährlichen Umsatz von mehr als € 50 Mio mit it einem Marktanteil von weniger als 10 %. Der Beklagte ist langjähriger Vertriebspartner der Klägerin.

2. Gegen eine geringe monatliche Gebühr bietet die Klägerin ihren Vertriebspartnern die Möglichkeit zur Nutzung eines von ihr fortlaufend betreuten Internetshops (Retail-Shops) an.. Ziel des Vertriebssystems der Klägerin ist es, mittels regelmäßiger Produktupdates und Produktbroschüren dem Endkunden durch geschulte Vertriebspartner im Rahmen einer persönlichen Beratungsbetreuung, abgestimmt auf die persönlichen Bedürfnisse, das richtige Produkt zu empfehlen. Dabei werden die körperlichen Entwicklungen und die hierdurch entstehenden geänderten Bedürfnisse des Endkunden fortlaufend begleitet. Angesichts der hohen Qualität der Produkte und der persönlichen Betreuung bietet die Klägerin ihre Produkte zu einem deutlich über dem üblichen Marktpreis liegenden Verkaufspreis an.

3. Der Beklagte hielt sich nicht an das Verbot des Internetvertriebs über die Plattform Ebay. Er wurde daher von der Klägerin gemäß ihrer Unternehmensrichtlinie auf Unterlassung der Bewerbung und des Vertriebs ihrer Produkte über die der Internetplattform eBay in Anspruch genommen.

Im Rahmen des vorliegenden Berufungsverfahrens beantragte der Beklagte die Aufhebung der vom Landgericht ausgesprochenen Untersagung, die Produkte der Klägerin auf der Internetplattform eBay zu vertreiben.

Zur Begründung führt er aus, dass die Unternehmensrichtlinien der Klägerin gegen Art. 101 AEUV und § 1 GWB verstießen, da sie eine unzulässige Wettbewerbsbeschränkung darstellten. Die Klägerin vertreibe zwar Produkte im höheren Preissegment, nicht aber Luxuswaren, die ein Verbot zum Vertrieb über die Internetplattform eBay im Rahmen eines selektiven Vertriebssystem rechtfertigen würden. Die Entscheidung des EuGH in Sachen „Coty“ (EuGH, Urteil vom 06.12.2017, C-230-16, GRUR 2018, 211) sei daher vorliegend gar nicht anwendbar.
Auch rechtfertigen die Produkte der Klägerin an sich bereits keinen Vertrieb über ein selektives Vertriebssystem.

II. Entscheidungsgründe

1. Das OLG Hamburg wies Berufung ab.

Ein Verstoß gegen Art. 101 AEUV oder § 1 GWB liege nicht vor. Zur Begründung führte es aus, dass wegen der besonderen Qualität der Produkte, zum Aufbau eines entsprechenden Produktimages und zum Schutz gegen rechtsverletzende Warenpräsentation der Vertriebspartner im Internet ein selektives Vertriebssystem im Streitfall zulässig sei.

2. Insbesondere verbiete die Klägerin auch nicht generell den Internetvertrieb, sondern stelle eigene Retail-Shops für den Vertrieb über das Internet zur Verfügung und untersage lediglich temporär den Vertrieb über eBay, bis eBay die Möglichkeit zur – den Retail-Shops vergleichbaren – Präsentation bereitstelle. Dies betreffe insbesondere die Präsentation der kompletten Produktpalette, damit der Verkehr eine die Beratung spiegelnde Sortimentsbreite angeboten bekomme, um das für sich passende Produkt entsprechend einer Beratungsleistung zu finden. Allein dies rechtfertige den hohen Preisunterschieds gegenüber der Konkurrenz. Eine Einschränkung, dass die Grundsätze der „Coty-Entscheidung“ (EuGH, Urteil vom 06.12.2017, C-230-16, GRUR 2018, 211) nur für Luxuswaren gelten würde, sei nicht angezeigt.

Auch ein Anspruch aus §§ 20, 19 GWB sei nicht gegeben, da der Beklagte in seinem Betrieb nicht unbillig behindert werde.

III. Fazit

Das OLG Hamburg bestätigt in dieser Entscheidung noch einmal die Zulässigkeit selektiver Vertriebssysteme und die in diesem System möglichen Beschränkungen des Vertriebs, wobei es sich nach dem OLG Hamburg nicht nur um Luxuswaren (EuGH, Urteil vom 06.12.2017, C-230-16, GRUR 2018, 211 – „Coty“), sondern auch nur um besondere Qualitätsprodukte handeln könne.

Ein Vertrieb über nicht vom Vertriebsunternehmen autorisierte Internetplattformen (wie z.B. www.amazon.de oder www.ebay.de) kann danach untersagt werden, wenn

– objektive Kriterien für den Vertrieb über Online-Plattformen aufgestellt werden,

– diese Kriterien innerhalb des Vertriebssystems diskriminierungsfrei gegenüber allen Vertriebspartnern angewendet werden und

– die Kriterien geeignet und erforderlich sind, das Produktimage der Waren oder Dienstleistungen zu wahren, ohne den Vertriebspartner unnötig zu beschränken.

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